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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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verengten sich. »Was meinst du?« »Ich hab mit mir selbst gesprochen.«
    »Tust du das oft?«
    »Sag jetzt nicht, das sei ein Zeichen von… hm, Verwirrung. Ich schätze, darüber solltest du dir besser kein Urteil erlauben.«
    In Winters Gesicht zuckte es wieder. Urplötzlich brach er in schallendes Gelächter aus.
    Merles Stirn kräuselte sich. »Was ist so lustig?«
    »Du.«
    »Herzlichen Dank.«
    »Du glaubst mir nicht.«
    »Was immer du sagst.« Sie verlor allmählich ihre Scheu vor ihm. Sie hoffte, dass das nicht einfach nur ein Anzeichen zunehmender Gleichgültigkeit war. Wenn sie den Fehler machte, dass ihr alles egal wurde, konnte sie sich, ebenso gut gleich in die Tiefe stürzen.
    Sie ahnte, dass Winter bei seiner Behauptung bleiben würde. Eine lebende Jahreszeit. Natürlich.
    Letztlich spielte es keine Rolle.
    »Dieses Ding hier, dieser Schädel«, sagte sie, »weißt du, was das ist?«
    »Ein Herold. Er verkündet Lord Lichts Weisheit in den Weiten der Hölle.«
    »Verstehst du ihn?«
    »Ich hab mir noch keine Gedanken darüber gemacht.«
    »Du reist in ihm, und hast noch nicht darüber nachgedacht, ob du ihn verstehst?«
    Er hob die Schultern. »Nein.«
    Merle fiel etwas auf. Von weitem waren die Stimmen der Schädel klar zu hören gewesen. Dann, im Ohr des ersten, hatten sie dumpf und verschwommen geklungen. Und jetzt, ausgerechnet im Mund, vernahm sie kaum mehr als ein fernes Brummeln. Hätten die Worte nicht gerade hier ohrenbetäubend sein müssen? Die Quelle der Stimme befand sich also anderswo, vermutlich an der Unterseite, im Halsstumpf. Dass sie hier nicht besser zu hören war, musste bedeuten, dass es keine Verbindung zwischen dem Hals und der Mundhöhle gab. Sie fand das beruhigend.
    »Wer hat dich so zugerichtet?«, fragte sie.
    »Ich selbst. Und andere.«
    »So, so«, sagte die Fließende Königin.
    »Was für andere?«
    »Lord Lichts Untertanen. Ich bin vielen von ihnen begegnet. Ich habe dieses Land kreuz und quer bereist, ich war überall - außer in Axis Mundi.« Er schnaubte leise. »Ich hätte gleich dorthin gehen sollen.«
    »Warum hast du es nicht getan?«
    »Es gab… Anzeichen, dass diejenige, die ich suche, sich nicht dort aufhält. Aber es ist die letzte Möglichkeit.«
    »Wen suchst du denn?«
    Winter zögerte, dann lächelte er. »Sommer.«
    »Wen sonst?«
    »Sommer?«, fragte Merle blinzelnd.
    Ein verträumter Schleier legte sich vor Winters Augen. »Meine geliebte Sommer.«
    Merle fiel nichts ein, was sie darauf noch hätte sagen können. Sie hatte einen Irren vor dem Verdursten gerettet.
    »Ist dieser Schädel… dieser Herold unterwegs nach Axis Mundi?«
    »Auf dem direkten Weg.«
    »Bist du sicher?«
    Er nickte. »Ich kenne dieses Land, ich habe es bereist. Und ich habe viele Dinge gesehen. Die Herolde schließen sich nur zu mehreren zusammen, wenn sie auf dem Rückweg zu ihrem Meister sind.«
    Vermithrax hatte also Recht gehabt. Es tat ihr Leid, dass er nicht hier war. Er würde sich Sorgen um sie machen, so ganz allein im Ohr des Schädels.
    »Wann werden wir die Stadt erreichen?«
    »Schon bald. Die Herolde werden immer schneller. Nicht mehr lange, und sie werden verstummen. Dann ist es nicht mehr weit.«
    Gut, das war immerhin etwas.
    Merle kramte in ihrem Rucksack. »Hast du Hunger?«
    »Winter isst nicht.«
    »Aber Winter trinkt«, sagte sie schnippisch. »Zumindest hat es ganz danach ausgesehen.«
    »Was wäre der Winter ohne Wasser? Es gäbe kein -«
    »Kein Eis, keinen Schnee - ich hab’s verstanden.« Sie stieß einen Seufzer aus und begann, an einem Stück Dörrfleisch zu nagen; es fühlte sich schrecklich zäh an zwischen ihren Zähnen.
    Winter sah ihr eine Weile beim Essen zu, dann beugte er sich abermals vor. »Darf ich noch Wasser haben?«
    »Bedien dich.«
    »Ihr werdet noch dicke Freunde, was?«, sagte die Fließende Königin bissig.
    Merle reichte Winter die angebrochene Flasche. In Axis Mundi würden sie Wasser finden, zumindest hoffte sie das. Und zur Not hatten sie noch immer die dritte Flasche.
    »Winter?«
    Er setzte die Flasche ab. »Ja?«
    »Dieser Sommer…«
    »Diese«, sagte er betont. »Sommer ist weiblich.«
    »Na schön. Sommer… Ist sie eine, hm, Person wie du?«
    Er schmunzelte. »Du meinst, ob sie aussieht wie ein Mensch?«
    Merle nickte.
    »Ja, das tut sie«, sagte er. »Wenn sie es wünscht. Genau wie ich.«
    »Woher kennst du sie?«
    »Es gibt nur vier von uns. Man sollte annehmen, dass wir uns gelegentlich über den Weg laufen,

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