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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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keiner, der ihr im Augenblick Kopfzerbrechen bereitete.
    Sie bekam einen Riss in der Unterlippe zu fassen, zog sich heran. Nahm noch einmal all ihre Kraft zusammen, suchte Halt und stemmte sich über die Lippe in den Mund des Steinschädels.
    Mit einem Keuchen rollte sie über den Wulst hinweg, griff plötzlich ins Leere, rutschte ab, stürzte… und prallte auf harten Untergrund.
    Immerhin gab es keine Zähne, die sie aufspießten. Nicht einmal eine Zunge. Nur einen Hohlraum, wie eine Grotte. Der hintere Teil lag in völliger Finsternis. Unmöglich zu erkennen, was sich dort befand. Ein Tunnel tiefer ins Innere des Schädels? Oder einfach nur eine Rückwand?
    Merle stemmte sich hoch und schaute an der Innenseite der Lippe entlang.
    Der Mann hatte seine Position verändert. Nicht aus eigener Kraft, wie ihr schien. Er war abgerutscht und wie sie selbst auf den Boden der Mundhöhle geprallt. Dort lag er inmitten der Flut seines weißen Haars wie in einer Milchpfütze.
    Aber er atmetet. Stöhnte sogar leise.
    Merle schob sich auf Händen und Knien näher an ihn heran. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie erwog, noch einen Augenblick abzuwarten, Atem zu holen, sich auszuruhen. Durch die Anstrengung spürte sie ihre Arme kaum noch. Falls er sie wirklich angreifen sollte, wäre sie schwerlich in der Lage, sich zu wehren.
    Was tat sie hier nur?
    »Hallo?«, fragte sie vorsichtig.
    Er hatte ihr den Hinterkopf zugewandt, lag auf der Seite. Sein weißes Haar war wie ein Stern um ihn ausgebreitet, lange Strähnen, die - wenn er aufrecht stand - fast bis zu seinen Hüften reichen mussten. Seine linke Hand war unter seinem Körper begraben, aber den rechten Arm hatte er ausgestreckt. Die Finger waren lang und knochig. Unter der hellen Haut konnte Merle deutlich die Adern erkennen, blaue Stränge wie ausgelaufene Tinte auf einem weißen Blatt Papier.
    »Hallo?«
    Die Finger der rechten Hand bewegten sich, krümmten sich zu Krallen, ballten eine Faust. Dann erschlafften sie wieder.
    Merle holte tief Luft, nahm all ihren Mut zusammen und umrundete den Mann langsam. Dabei musste sie sich entscheiden, wem sie lieber den Rücken zuwandte, ihm oder der Finsternis im hinteren Teil der Mundhöhle. Sie entschied sich für die Dunkelheit und behielt den Fremden im Blick.
    Sie war dankbar, dass die Fließende Königin schwieg. Merle brauchte ihre stichelnden Bemerkungen nicht, um zu wissen, wie absurd ihr Verhalten war. Wie widersinnig.
    »Sind Sie verletzt?«
    Während sie sich vorwärts bewegte, konnte sie allmählich immer mehr von seinem Gesicht erkennen.
    Seine Augen standen offen und starrten sie an. Sein Blick folgte ihren Schritten.
    Merle bekam eine Gänsehaut. »Sie sind wach«, stellte sie fest. »Warum sagen Sie nichts?«
    Seine Lippen bebten unkontrolliert und straften den klaren Blick seiner Augen Lügen. Oder spielte er ihr nur etwas vor? Wartete er darauf, dass sie sich über ihn beugte?
    Hatten alle Lilim Krallen?
    Seine Mimik geriet in Bewegung. Die Haut zitterte leicht, als kröche etwas darunter entlang. Er legte die Stirn in Falten und blickte mit einem Mal ziemlich jämmerlich drein.
    Ein Trick?
    »Er kann dir nichts tun.«
    Die Worte der Fließenden Königin überraschten sie. Von ihr hatte Merle am allerwenigsten eine Entwarnung erwartet.
    »Bist du sicher?«
    »Er ist geschwächt. Kurz vorm Verdursten, wie ’s aussieht.«
    Merle erinnerte sich an ihren Rucksack und an die Verpflegung, die sie im Lager der Zarenexpedition eingepackt hatte. Das Bündel war so fest auf ihren Rücken geschnallt, dass sie es beinahe vergessen hatte. Jetzt nahm sie es herunter, schraubte eine der Wasserflaschen auf, roch daran - wer wusste schon, wann sie frisch aufgefüllt worden waren? - und näherte sich damit dem Gesicht des Mannes.
    »Soll ich?«
    »Deshalb bist du doch hergekommen.«
    Merle nickte stumm, dann schob sie ihre Linke unter den Kopf des Mannes, hob ihn an und tröpfelte Wasser auf seine spröden Lippen. Sein weißes Haar fühlte sich merkwürdig an, seltsam leicht, obwohl es dick und füllig aussah. Die Augen, die so beunruhigend wach und klar wirkten, beobachteten Merle mit einer solchen Intensität, dass sie zu einem anderen Mann hätten gehören können, vollkommen losgelöst vom geschwächten Rest seines Körpers. Dieser lodernde, tiefgründige Blick irritierte sie. Ängstigte sie ein wenig.
    Merle presste den Verschluss der Flasche enger an seine Lippen, zog ihn wieder zurück, wartete, bis er geschluckt

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