DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
eine Sitzbank auf einem der Wachtürme sein oder ein Haufen Stroh im Pferdestall. Manchmal schlief er am helllichten Tage ein, mitten in einer Beratung oder bei einer Verhandlung der zahlreichen Beschwerden und Streitfälle, die ihm jetzt vorgetragen wurden. Es gab einfach zu viel zu tun, um schon zu einem normalen Leben zurückzukehren.
Als er sich aber wieder einmal in der großen Halle aufhielt, wo die Verwundeten lagen, sah er Sunna zu, wie sie Verbände wechselte und Essen verteilte. Plötzlich hatte er das starke Bedürfnis, mit ihr allein zu sein.
Bis dahin hatte er sich wenig um sie gekümmert. Sie und Theuderich waren gemeinsam mit anderen Frauen und Kindern aus Tournai im früheren Gästehaus des Palastes untergebracht, wo es eng war, weil hier auch noch die zurückgebliebenen Emigranten hausten.
Chlodwigs zweijähriger Sohn kroch mit kleinen Italern auf dem Fußboden umher, und sie spielten gemeinsam mit Tonfigürchen und Bällen aus Wolle. Meistens nahm ihn Sunna jedoch mit in den Krankensaal, weil sie niemals die Sorge loswurde, Feinde Chlodwigs könnten an ihm ihre Rache kühlen. »Therri« war der Liebling der verwundeten Kämpfer, denn er erheiterte sie, wenn er unbeholfen zwischen ihnen umherstapfte und drollige Sprechversuche machte.
Hier war er auch jetzt, als es dem König einfiel, sich mit Sunna zurückzuziehen. Obwohl sie gerade eine Wunde mit Salbe bestrich, packte er sie wortlos am Handgelenk und riss sie mit sich.
Als ginge es um Tod oder Leben, rannte er mit ihr Flure entlang und Treppen hinauf und hinab.
Wer ihm im Wege war, wurde beiseitegestoßen. Er wusste schon gut Bescheid im Palast und erinnerte sich, dass ihm bei seinem ersten Rundgang auch das pompöse Schlafgemach des Patricius gezeigt worden war. Dorthin zog er jetzt Sunna.
Er stieß die Tür auf und stand einen Augenblick starr vor Entrüstung.
Zwei nackte Männer hüpften um das mit seidenen Laken bedeckte Bett und warfen sich bunte Kissen zu. Es waren Farro, Ragnachars Liebling, und Apollodoros, der Komödiant. Sie erschraken und bedeckten sich mit den Kissen.
Im nächsten Augenblick trieb Chlodwig sie mit Fußtritten hinaus. Farro schrie, er habe ein Recht, hier zu sein, das sei das Schlafgemach seines Königs. Mit Glück wich er einer Vase aus, die Chlodwig ihm nachwarf und die hinter ihm an der Wand zerschellte. Dann flogen noch die seidenen Laken und Kissen aus dem Fenster.
Unten im Hof wunderten sich die Franken, die um ein Feuer saßen, über die seltsamen Himmelsgaben.
»Verfluchtes Pack!«, sagte Chlodwig. »Es fehlte gerade noch, dass die sich hier einnisten. Ich muss mir meine Vettern vom Halse schaffen. Wüsste ich nur schon, wie ich es anstellen soll …«
Das Bett flößte ihm noch immer Ekel ein. Er riss einen Teppich, der zwischen zwei Pfeilern hing, herunter und ließ sich mit Sunna darauf nieder.
Eine Weile lagen sie stumm nebeneinander. Sie suchte ihn zu beruhigen, zog ihr Hemd aus und streichelte ihn mit ihren Brüsten, wie er es gern hatte. Aber sie hatte keinen Erfolg, weil er noch immer wütend war. Er ballte die Fäuste, starrte zur Decke, murmelte Flüche.
Als vom Hof her Bratenduft hereinzog und Gesänge herauftönten, griff er jedes Mal nach seiner Axt, die neben ihm auf dem Teppich lag, und wollte aufspringen und zum Fenster stürzen.
Doch Sunna klammerte sich an ihn und hielt ihn zurück. Erst allmählich gelang es ihr, ihn abzulenken. Sie legte sich bäuchlings auf ihn, bedeckte mit ihrem weichen, schwellenden Fleisch seinen hageren Körper und hängte ihr langes Haar wie einen Schirm um sein Gesicht. So schaffte sie es, wie früher schon, seinen überwachen, stets angespannten Geist ein wenig zu betäuben. Unter ihren Küssen nahm er bald weniger wahr, was sonst vorging. Der warme Dunst, den sie ausströmte, machte ihn ruhiger. Ihre trägen Liebkosungen erregten ihn wieder. Und schließlich erinnerte er sich, warum er mit ihr allein sein wollte.
Später, als es schon Nacht war, stand Sunna auf, um Therri aus der Halle der Kranken zu holen. Sie fand ihn schlafend zwischen fiebernden Verwundeten auf einem Strohlager, inmitten von Gestank und Gestöhn.
Heftig erschrak sie, hob ihn rasch auf und wickelte ihn in ein sauberes Tuch. Sie machte sich Vorwürfe, ihres Leichtsinns wegen. Das Stroh war schmutzig vom Ausfluss der Wunden und anderem Unrat. Es wurde nur morgens erneuert. Und Kinder starben sehr früh und schnell. Dabei hatte sie Therri schützen wollen, indem sie ihn mit
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