DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
der tapferste Mann. Ruhm und Ehre sind dir nichts, Geld und Besitz sind dir alles. Dazu bist du zu jeder Schandtat bereit. Dazu betrügst du sogar mich, deinen König und Freund. Was hat es nun auf sich mit diesem ›B‹ an den Häusern?«
»Das ist doch sehr einfach, eine nützliche Maßnahme!«, erklärte Bobo hastig, mit zitternder Stimme. »Was gewinnst du, wenn du die Reichen und Vornehmen behandelst wie jeden beliebigen Schankwirt und Kleiderhändler? Wenn du ihnen den Droc und den Ansoald schickst, die sich beim Anblick der Kostbarkeiten in ihren Häusern nicht beherrschen können … trotz deiner Ermahnungen und Befehle? Es tritt das ein, wovor du selber gewarnt hast: Du ruinierst sie und ziehst ihren Hass auf dich. Du selber hast aber nichts davon, vier Fünftel der Beute wird unter die Männer verteilt. So bestimmt es das salische Gesetz. Und mit dem Fünftel, das du als König bekommst, musst du noch ihre Dienste bezahlen. Viel vernünftiger ist es dagegen, von den Reichen und Vornehmen gar nichts zu nehmen.«
»Gar nichts?«
»Nur eine kleine Gebühr. Dafür bietest du ihnen deinen Schutz an. Schutz vor deinen eigenen Leuten. Natürlich auch vor anderen Räubern … herrenlosen Sklaven, verwahrlostem Kriegsvolk. So gewinnst du ihr Vertrauen. Sie fühlen sich bei dir geborgen, sehen sich anerkannt und vor allen anderen ausgezeichnet. Und du erhältst dir eine Herde von stattlichen, satten Kühen, die du beliebig melken kannst. Denn das Schutzgeld wird regelmäßig erhoben und jedes Mal ein bisschen erhöht. Bald wird es ein Vielfaches von dem sein, was sie jetzt an ›Geschenken‹ herausrücken müssten. Mit den anderen Abgaben, die sie zu leisten haben, kommt da allmählich ein hübsches Sümmchen zusammen. Und du kassierst das alles allein!«
»Du wolltest kassieren!«
»Verzeih, ich kam noch nicht dazu, dich in die Maßnahme einzuweihen. Ich musste rasch handeln, die Drocs und Ansoalds waren ja schon unterwegs. Alles geschah natürlich in deinem Namen.«
»Und warum ist da nicht ›C‹ an die Häuser geschrieben?«
»Ich dachte, damit es nicht so auffällig ist. ›B‹ steht für Basileus, das heißt ja König auf Griechisch. Es bedeutet also, die Häuser stehen unter dem Schutz des Königs.«
»Ah, wie gebildet du bist … und wie schlau!«, sagte Chlodwig anerkennend. »Und wie viel hast du beim ersten Mal eingenommen?«
»Noch habe ich nicht alles beisammen. Aber ich werde dir Rechenschaft geben bis auf den letzten Solidus.«
»Das hoffe ich.« Chlodwig sprang auf die Beine und klopfte lächelnd auf Bobos prallen Geldbeutel. »Du hast es von jetzt an ja auch nicht mehr nötig, dir heimlich die Taschen zu füllen. Es liegt mir wirklich am Herzen, dass es dir gutgeht. Wenn du reich und zufrieden bist, brauchst du mir nichts mehr zu stehlen. Habe ich recht?«
»Aber, Chlodwig … Verzeih, König, ich …«
»Und kannst deine schönen Talente ganz und gar in meinen Dienst stellen. Ohne ständig von der lästigen Sorge geplagt zu sein, du könntest selber dabei ein armer Mann bleiben.«
»Nie käme mir ein solcher Gedanke!«, versicherte Bobo und streckte beschwörend die Arme vor.
»Trotzdem solltest du noch gründlicher darüber nachdenken, was du ohne mich bist und was du mir schuldest.«
Er nahm die Fackel und wandte sich der offenen Tür zu.
Bobo wollte ihm folgen. Aber der König gab ihm einen Stoß vor die Brust.
»Das kannst du gleich hier tun!«, schrie er.
»Warum denn? Warum denn hier?« Dem fassungslosen, mit Hunderten Münzen beschwerten jungen Mann schossen die Tränen aus den Augen. »Was machst du mit mir? Du sperrst mich ein? Ich habe nichts getan! Es ist alles Verleumdung! Du wolltest mich prüfen, ja? Ich will das Geld nicht! Hier … nimm es … nimm alles zurück, deine Solidi, deine Denare …«
Er nestelte so hastig den Beutel vom Gürtel, dass der sich öffnete. Im Fackelschein funkelten auf den rohen, steinernen Platten des Kellerbodens die goldenen und silbernen Münzen.
Chlodwig warf Bobo noch einen spöttischen Blick zu.
»Ich sagte, das Geld gehört dir. Wenn du es forttragen kannst.«
Und damit ging er hinaus, warf die Tür zu, stieß den langen, eisernen Hakenschlüssel in die Riegelöffnung und ließ den Sicherungsbolzen zuschnappen.
Kapitel 8
Die ersten Nächte nach der Eroberung der Stadt Soissons verbrachte Chlodwig fast ohne Schlaf.
Er ruhte sich irgendwo aus, wo es sich gerade ergab und wo ihn die Müdigkeit überfiel. Das konnte
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