Die Merowinger - Zorn der Götter
Riese entgegen, erwischte seinen Hals und begann, ihn zu würgen. Chlodwig ertastete noch den Griff seines Dolchs und stieß zu, bevor er abermals in ein schwarzes Loch fiel.
Auftauchend lag er in inniger Umarmung mit Herkules, dessen Pranken noch immer an seinem Hals waren und der ihm sein Blut ins Gesicht spie.
Er befreite sich von dem Toten, fand zwischen den Füßen der Kämpfer sein Schwert und versuchte aufzustehen. Zweimal war er schon auf den Knien, doch jedes Mal wurde er wieder umgeworfen. Endlich gelang es – er stand. Doch er war noch immer benommen.
Ein Haufen Franken, von den Alamannen zurückgetrieben, wich auf der Uferwiese bis an die Böschung und riss ihn mit. Einige stürzten schreiend hinunter ins Wasser des Rheins. Chlodwig konnte sich noch an einen Weidenstamm klammern.
Plötzlich war es dunkel geworden. Schwarze Wolken jagten tief über das Schlachtfeld. Chlodwig starrte zum Himmel – und da erkannte er ihn!
Der wehende Mantel, der breite Hut, der flatternde Bart … er war es! Wodan, der Schlachtenlenker, der Herr über Sieg und Niederlage. Als kleine schwarze Wolkenfetzen flogen mit ihm die Raben Hugin und Munin. Und da – die etwas größeren – Geri und Freki, die gierigen Wölfe. Schon waren sie alle vorüber und zogen über den Fluss ins alte Germanien.
Da packte den König ein wilder Zorn. Er stieß sein Schwert in die Luft und schrie: »Wodan! Du Schurke! Du alter Betrüger! Du machst dich davon? Du lässt mich im Stich? Hältst du so zu deinem treuen Gefolgsmann? Dankst du mir so für meine Opfer? Du Lump! Du hast den Alamannen geholfen! Nun ziehst du über den Rhein und lässt dich dort als Sieghelfer feiern! Aber du triumphierst zu früh! So weit ist es noch nicht. Mich kriegst du nicht klein, mich machst du nicht nieder! Es gibt noch andere Götter, ich brauche dich nicht! He, Christengott! Wenn du allmächtig bist, wie Chlotilde behauptet, dann vertreibe ihn! Beweise, dass du ihm überlegen bist! Hilf uns, die Alamannen zusammenzuhauen! Zeig, was du kannst, und ich bin dein Mann! Ich schwöre dir, dass ich mich taufen lasse! Ja, dazu bin ich bereit, das schwöre ich dir auf Ehre, so wahr ich König der Franken bin! Hörst du mich? Wenn du …«
Ein Keulenschlag traf ihn und trieb ihm den Helm tief ins Gesicht, bis über die Augen. Er fiel und ließ dabei den Weidenstamm los. Schnell sprang er auf die Beine und stolperte drei, vier Schritt nach vorn, um nicht in den Fluss zu stürzen.
Der Helm saß so fest, dass er ihn nicht wieder hochbekam. Blind, mit dem Schwert fuchtelnd, taumelte er umher und fluchte erbärmlich. Auf einmal war er eingekeilt in eine dicht aneinandergedrängte Gruppe von Kämpfern, die anscheinend vor den Alamannen zurückwichen, den Strom im Rücken. Er wurde nach links und nach rechts, nach vorn und nach hinten geschoben und konnte kaum noch die Arme bewegen.
Die eisernen Spangen des Helms drückten sich in seine Kopfhaut, der scharfe Rand aus Kupferblech schnitt in die Nase, von der Blut in den Schnurrbart und den Mund lief. Niemand kümmerte sich um den hin- und hergestoßenen König.
Als es plötzlich zurückging, hörte er hinter sich Geschrei und das Aufklatschen der ins Wasser Gestürzten. Um ihnen nicht folgen zu müssen, klammerte er sich an den nächsten Mann.
Doch da hatte er schon eine Faust auf dem Kinn und wurde auf gut Fränkisch angebrüllt: »Lass mich, oder ich hau dir deinen Topf bis zum Arsch runter!«
Dazu kam es zum Glück nicht. Auf einmal erschallte weit vorn ein Gebrüll. Im nächsten Augenblick stimmten auch die Männer in der Umgebung des Königs ein. Es klang freudig.
Rufe ertönten: »Hoho! Jetzt geht’s! Da kommen sie! Haben wohl ausgeschlafen! Heil, König Sigibert! Drauf, Männer, gebt’s ihnen! Verdrescht sie, die alamannischen Hunde …«
Und dann gab es auf einmal einen gewaltigen Schub, und Chlodwig wurde mitgerissen – erst zwanzig, dreißig Schritte zur Seite, dann noch einmal so viele nach vorn.
Jetzt spürte er keinen Nebenmann mehr. Er stolperte über einen am Boden liegenden Körper, raffte sich auf, steckte rasch das Schwert in die Scheide. Mit beiden Händen schob und drückte er – und endlich gelang es. Der Helm bewegte sich, ließ sich hinaufschieben, gab die Augen frei.
Chlodwig konnte kaum glauben, was er sah. Er stand unter einem wolkenlos klaren Himmel, von dem die Nachmittagssonne strahlte. Und vor sich sah er die Alamannen das Weite suchen. In wilder Flucht eilten sie davon. Über
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