Die Merowinger - Zorn der Götter
sogar mit meiner bescheidenen Hilfe, ihm die Zustimmung zur Taufe eines Söhnleins, das sie geboren hatte, abzuringen. Da es beim ersten Mal aber dem Herrn gefiel, den kleinen Engel gleich in seine himmlischen Heerscharen einzureihen, zürnte der König, und das Bekehrungswerk kam ins Stocken. Zwar blieb er gewissen Vernunftgründen, die ihm politische Vorteile verhießen, zugänglich (denn er ist sehr klug und gerissen!), doch diente er weiterhin seinen scheußlichen Götzen.
Dann aber kam es, wie du ja weißt, zum Krieg mit den Barbaren von der anderen Seite des Rheins. Und da geschah nun das Wunderbare. Du kennst die Geschichte, ich habe sie dir schon berichtet. Ich meine, wir sollten sie immer wieder in unsere Predigten und Traktate aufnehmen und auch fleißig durch Mönche und Pilger mündlich verbreiten lassen. König Chlodwig – ein zweiter Konstantin! Er will tatsächlich (das hat er mir mehrmals glaubhaft beteuert) während der Schlacht unseren Gott angerufen haben, weil er sich von seinem Wodan im Stich gelassen fühlte. Über die näheren Umstände ließ er sich freilich nicht aus. Beim Kaiser Konstantin haben wir immer das herrliche Bild vor uns, dass ihm plötzlich, als er an der Milvischen Brücke gegen Maxentius zog, zur Mittagsstunde das Kreuz am Himmel erschien mit der leuchtenden Inschrift › In hoc signo vinces ‹ . Das haben sich unsere Vorgänger wirklich gut ausgedacht! Auch für Chlodwig brauchen wir irgendein Bild, das sich einprägt und die Menschen beeindruckt. Vielleicht sollte man ihn mitten im Kampfgetümmel niederknien und, die Arme zum Himmel gestreckt, Gottes Hilfe erflehen lassen. Oder noch besser: Er sitzt mit gezücktem Schwert hoch zu Ross, während ringsum die Seinen fliehen. Verzweifelt hebt er den Blick nach oben, wo ihm plötzlich Gottes Antlitz erscheint. So etwas könnte auch die Maler inspirieren! Eine am Himmel erscheinende Inschrift wäre in diesem Fall nicht passend. Chlodwig liest ja nur mühsam. Ich habe das mal im kleineren Kreis unter Geistlichen angeregt, aber gleich wurde gespottet: ›Wenn der erst die Schrift am Himmel buchstabieren muss, kommt er nicht mehr dazu, seine Schlacht zu schlagen!‹ Außerdem würden wir uns damit ja auch den Vorwurf des Plagiats an der Konstantin-Legende einhandeln.
So weit ein paar Anregungen und Gedanken. Ich bitte dich, denke auch du darüber nach. Vielleicht hast du noch bessere Vorschläge.
In Wirklichkeit hat sich die Sache natürlich ganz unheilig abgespielt. Die Franken mussten sich aus der Bewegung schlagen und hatten plötzlich die Hauptmasse der Alamannen im Rücken. Offenbar waren sie auch in der Minderzahl. Da gab dann den Ausschlag, dass ihr rheinfränkischer Verbündeter (dem sie ja zu Hilfe gekommen waren) plötzlich mit einer frischen Tausendschaft anrückte und damit das Treffen entschied, das sonst wohl schlecht ausgegangen wäre. Chlodwig ist auf diesen König Sigibert nicht gut zu sprechen, weil er seiner Meinung nach absichtlich viel zu spät kam. Ich fürchte, irgendwann wird er wenig christlich Vergeltung üben. Die Könige Ragnachar und Chararich, die ihn damals vor Soissons im Stich ließen, hat er längst ins Jenseits befördert.
Übrigens war ihm am Abend nach der Schlacht bereits klar, dass nicht Gottes machtvolles Eingreifen, sondern die gerade noch rechtzeitig eingetroffene Verstärkung den Sieg brachte. Und er gestand mir auch ganz offen, dass er den in der Bedrängnis geleisteten Schwur bereute. Zum Glück ist er jedoch abergläubisch, und so getraute er sich nicht, das Gelöbnis zu brechen, weil er die Rache unseres betrogenen Gottes fürchtete – eine Besorgnis, in der ich ihn natürlich fleißig bestärkte, indem ich ihm aus dem reichen Fundus alttestamentarischer Greueltaten das Beste darbot. Außerdem habe ich ihm natürlich das Eintreffen der Verstärkung als von Gott inspiriert dargestellt, als schnelle Antwort auf seine Bitte. Aber das alles hätte vielleicht nicht einmal genützt, wenn ich nicht meine ganze Beredsamkeit aufgewandt hätte, um ihm noch einmal die Vorteile einer Konversion darzulegen.
Vor allem gab ich ihm zu bedenken, wie sehr er auf diese Weise seine Stellung im Innern seines Reiches festigen würde. Mit einem Schlage hätte er alle – oder die meisten – auf seiner Seite, die bis dahin in ihm noch immer einen heidnischen und barbarischen Zwingherrn sahen, den sie heimlich und manchmal sogar offen zur Hölle wünschten. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass im
Weitere Kostenlose Bücher