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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Shampoos hinein, Tropfen um Tropfen.
    Wir verletzten sie und kochten sie. Verbrannten sie. Wir schraubten sie fest und steckten Elektroden in ihr Gehirn. Wir pfropften und bestrahlten und froren sie ein.
    Die Babys atmeten unseren Rauch ein, in den Venen der Babys flossen unsere Medikamente und Drogen, bis sie aufhörten zu atmen oder ihr Blut aufhörte zu fließen.
    Es fiel uns natürlich schwer, aber es war notwendig.
    Das konnte niemand bestreiten.
    Was blieb uns zu tun übrig, nachdem die Tiere verschwunden waren?
    Manche Leute haben sich natürlich beschwert. Aber solche gibt es doch immer.
    Und alles ging wieder seinen gewohnten Gang.
    Nur …
    Gestern sind alle Babys verschwunden.
    Wir wissen nicht, wohin sie gegangen sind. Wir haben sie nicht einmal verschwinden sehen. Wir wissen nicht, was wir ohne sie anfangen sollen.
    Aber uns wird schon etwas einfallen. Die Menschen sind gescheit. Das ist es, was uns den Tieren und den Babys überlegen macht.
    Wir lassen uns etwas einfallen.

Mordmysterien

    Der vierte Engel sprach:
    Für diese Aufgabe wurde ich geschaffen.
    Diesen Ort zu bewachen vor den Menschen,
    Denn durch ihre Schuld haben sie ihn verloren,
    Sie haben Seine Gnade verwirkt,
    Daher müssen sie all dies meiden
    Oder mein Schwert sollen sie umfangen
    Und ich selbst werde ihr Feind sein
    Und ihr Antlitz mit Flammen verzehren.

    C hester -M ysterienspiele ,

    D ie S chöpfung und A dam und E va , 1461

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    Dies ist eine wahre Geschichte.
    Vor ungefähr zehn Jahren musste ich einen ungewollten Zwischenstopp in Los Angeles einlegen, sehr weit von zu Hause fort. Es war Dezember und in Kalifornien war das Wetter warm und freundlich. England hingegen lag unter dichtem Nebel im Klammergriff heftiger Schneestürme und keine Flugzeuge konnten dort landen. Jeden Tag rief ich am Flughafen an und jeden Tag sagte man mir, ich müsse noch einen Tag warten.
    So war es seit etwa einer Woche gegangen.
    Ich war fast noch ein Teenager. Wenn ich heute zurückschaue und die Teile meines Lebens betrachte, die aus jener Zeit stammen, fühle ich mich immer unbehaglich, als habe ich von einem Fremden ungebeten ein Geschenk bekommen: ein Haus, eine Frau, Kinder, eine Berufung. Das hat alles nichts mit mir zu tun, könnte ich unschuldig behaupten. Und wenn es stimmt, dass alle sieben Jahre jede Zelle unseres Körpers abgestorben und durch eine neue ersetzt worden ist, dann habe ich mein Leben in der Tat von einem Toten geerbt. Und die Sünden jener Tage sind vergeben und mit seinen Gebeinen begraben.
    Ich war in Los Angeles. Ja.
    Am sechsten Tag erreichte mich eine Nachricht von einer alten Beinah-Freundin aus Seattle. Sie war ebenfalls in L.A. und hatte durch das Freunde-von-Freunden-Netzwerk erfahren, dass ich hier war. Ob ich mal bei ihr vorbeischauen wolle?
    Ich hinterließ eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter: Klar.
    Als ich abends aus meiner Absteige kam, trat eine kleine Blondine an mich heran. Es war schon dunkel.
    Sie sah mich eindringlich an, als versuche sie, mich mit einer Beschreibung abzugleichen, und sagte dann zögernd meinen Namen.
    »Ja, genau. Du bist Tinks Freundin?«
    »Stimmt. Wagen steht da hinten. Komm. Sie freut sich schon mächtig, dich wiederzusehen.«
    Ihr Auto war einer von diesen riesigen alten Schlitten, die man irgendwie nur in Kalifornien zu sehen kriegt. Es roch nach aufgeplatzten, abblätternden Lederpolstern. Wir fuhren von wo immer wir waren nach wo immer es auch hingehen sollte.
    Los Angeles war damals ein absolutes Mysterium für mich und ich kann nicht behaupten, dass ich es heute wesentlich besser verstehe. Ich begreife London und New York und Paris. Dort kann man einen Vormittag herumlaufen und dann weiß man, was sich wo befindet, und kann vielleicht die UBahn benutzen. Aber in Los Angeles dreht sich alles um Autos. Damals hatte ich noch gar keinen Führerschein und selbst heute fahre ich nicht Auto in Amerika. Meine Erinnerungen an Los Angeles sind durch Fahrten in anderer Leute Wagen verkettet ohne das geringste Gespür für die Form der Stadt, die Beziehungen zwischen den Leuten und den Orten. Die Symmetrie der Straßen, die Wiederholung von Struktur und Form bedeutet, dass, wann immer ich versuche, es mir als Gesamtheit vorzustellen, ich mich nur an die Unzahl winziger Lichter erinnere, die ich bei meinem ersten Besuch in der Stadt einmal nachts von dem Hügel im Griffith Park aus gesehen habe. Es war eins der schönsten Dinge, die ich je gesehen habe, aus der

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