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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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sagte sie.
    Sein Pferd hatte den Kopf über den Zaun gestreckt und knabberte an ihren Gladiolen. Ein paar Nachbarskinder standen auf dem Gehweg und bestaunten es.
    Galahad holte ein paar Zuckerstückchen aus der Satteltasche und zeigte den mutigeren Kindern, wie sie sie dem Pferd geben mussten, mit flach ausgestreckter Hand. Die Kinder kicherten. Eins der größeren Mädchen streichelte dem Pferd die Nüstern.
    Galahad schwang sich in einer einzigen, fließenden Bewegung in den Sattel. Dann trabten Pferd und Reiter den Hawthorne Crescent hinab.
    Mrs. Whitaker sah ihnen nach, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden waren, dann seufzte sie und ging zurück ins Haus.
    Das Wochenende war ruhig.
    Am Samstag fuhr Mrs. Whitaker mit dem Bus nach Maresfield, um ihren Neffen Ronald, seine Frau Euphonia und deren Töchter, Clarissa und Dillian, zu besuchen. Sie brachte ihnen einen selbst gebackenen Rosinenkuchen mit.
    Am Sonntagmorgen ging Mrs. Whitaker zur Kirche. Sie gehörte zur Gemeinde von St. James the Less, wo es für ihren Geschmack ein wenig zu modern zuging, nach dem Motto: »Dies ist nicht in erster Linie eine Kirche, sondern vor allem ein Ort, wo Gleichgesinnte zusammenkommen und fröhlich sind.« Aber sie mochte den Pastor, Reverend Bartholomew, jedenfalls wenn er nicht gerade Gitarre spielte.
    Nach dem Gottesdienst erwog sie, ihm von dem Heiligen Gral auf ihrem Kaminsims zu erzählen, aber sie entschied sich dagegen.
    Am Montagvormittag arbeitete Mrs. Whitaker im Garten hinter dem Haus. Sie hatte ein Kräuterbeet, auf das sie sehr stolz war: Dill, Eisenkraut, Minze, Rosmarin, Thymian und ein regelrechtes Petersilienfeld. Sie kniete auf der Erde, hatte dicke grüne Arbeitshandschuhe übergestreift, jätete Unkraut und las Schnecken auf, die sie in eine Plastiktüte steckte. Mrs. Whitaker konnte einfach keiner Schnecke etwas zu Leide tun. Sie brachte sie immer ans Ende des Gartens und warf sie über den Zaun, wo eine Eisenbahnstrecke verlief.
    Sie erntete ein wenig Petersilie für den Salat. Hinter ihr ertönte ein Hüsteln. Galahad stand dort, groß und schön, und seine Rüstung funkelte in der Morgensonne. In den Armen hielt er ein längliches Paket, das in geöltes Leder gehüllt war.
    »Ich bin zurückgekehrt«, sagte er.
    »Hallo«, sagte Mrs. Whitaker. Ziemlich langsam kam sie auf die Füße und zog die Handschuhe aus. »Nun, da Sie schon einmal hier sind, können Sie sich auch nützlich machen«, sagte sie.
    Sie reichte ihm die Tüte mit den Schnecken und wies ihn an, sie über dem Zaun auszuleeren.
    Das tat er.
    Dann gingen sie in die Küche.
    »Tee? Oder Limonade?«, fragte sie.
    »Was immer Euch gutdünkt«, antwortete Galahad.
    Mrs. Whitaker holte den Krug selbst gemachter Limonade aus dem Kühlschrank und schickte Galahad in den Garten, ein bisschen Minze pflücken. Sie wusch die Minze sorgsam, ehe sie ein paar Blättchen in die beiden Gläser gab und dann Limonade einschenkte.
    »Steht Ihr Pferd draußen?«, wollte sie wissen.
    »O ja. Sein Name ist Grizzel.«
    »Und Sie habe einen sehr weiten Weg hinter sich, nehme ich an.«
    »Einen sehr weiten Weg.«
    »Verstehe«, sagte Mrs. Whitaker. Sie holte eine blaue Plastikschüssel unter der Spüle hervor und füllte sie zur Hälfte mit Wasser. Galahad brachte sie Grizzel. Er wartete, während das Pferd soff, und brachte Mrs. Whitaker die leere Schüssel zurück.
    »Also dann«, begann Mrs. Whitaker. »Ich nehme an, Sie wollen den Gral.«
    »Ja. Immer noch strebe ich nach dem Sangrail«, antwortete er. Er hob das in Leder eingeschlagene Paket vom Boden auf, legte es auf die Tischdecke und öffnete es. »Zum Tausch biete ich Euch dies.«
    Es war ein Schwert, die Klinge über einen Meter lang und mit hauchfeinen Buchstaben und Symbolen verziert. Das Heft war aus Gold und Silber gearbeitet, den Abschluss des Knaufs bildete ein riesiger Edelstein.
    »Es ist sehr hübsch«, sagte Mrs. Whitaker zweifelnd.
    »Dies«, sagte Galahad, »ist das Schwert Balmung, das Wieland der Schmied in grauer Vorzeit schuf. Sein Gegenstück heißt Flamberge. Wer es trägt, kann im Krieg nicht besiegt, in der Schlacht nicht geschlagen werden. Wer es trägt, ist jeder Feigheit oder schändlicher Taten unfähig. Der Stein am Heft ist der Sardonyx Bircone, der seinen Besitzer vor vergiftetem Wein und verräterischen Freunden beschützt.«
    Mrs. Whitaker betrachtete das Schwert. »Sicher ist es sehr scharf«, bemerkte sie schließlich.
    »Es könnte ein herabfallendes Haar

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