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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Lanze in die Seite stieß.«
    Mrs. Greenberg rümpfte die Nase. Sie war klein und Jüdin und hielt nichts von solcherlei unhygienischen Dingen. »Nun, damit kenne ich mich nicht aus«, sagte sie. »Aber es sieht sehr hübsch aus. Unser Myron hat einen ganz ähnlichen Pokal bekommen, als er das Schwimmturnier gewann, nur hatte der seinen Namen eingraviert.«
    »Hat er immer noch diese reizende Freundin? Die Friseuse?«
    »Bernice? O ja. Sie wollen sich bald verloben«, sagte Mrs. Greenberg.
    »Das ist ja reizend«, meinte Mrs. Whitaker und nahm noch eine Makrone. Mrs. Greenberg buk ihre Makronen selbst und brachte sie jeden zweiten Freitag mit herüber: kleine, süße, goldbraune Plätzchen mit Mandeln verziert.
    Sie sprachen über Myron und Bernice und Mrs. Whitakers Neffen Ronald (sie hatte keine Kinder) und über ihre Freundin Mrs. Perkins, die im Krankenhaus lag mit ihrer Hüfte, die Ärmste.
    Gegen Mittag ging Mrs. Greenberg nach Hause. Mrs. Whitaker machte sich Käse auf Toast zum Essen und anschließend nahm Mrs. Whitaker ihre Pillen, die weiße und die rote und die zwei kleinen orangefarbenen.
    Es läutete an der Tür.
    Mrs. Whitaker öffnete. Draußen stand ein junger Mann mit schulterlangen Haaren, die so hell waren, dass sie beinah weiß wirkten. Er trug eine glänzend silberne Rüstung und einen weißen Mantel darüber.
    »Guten Tag«, sagte er.
    »Guten Tag«, sagte Mrs. Whitaker.
    »Ich bin ausgezogen, um mich auf die Suche zu begeben«, sagte er.
    »Wie nett«, erwiderte Mrs. Whitaker vorsichtig.
    »Darf ich eintreten?«, fragte er.
    Mrs. Whitaker schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, aber besser nicht.«
    »Ich bin auf der Suche nach dem Heiligen Gral«, erklärte der junge Mann. »Ist er hier?«
    »Können Sie sich ausweisen?«, fragte Mrs. Whitaker. Sie wusste, es war unklug, Fremde hereinzubitten, ehe man einen Ausweis gesehen hatte, vor allem wenn man älter und allein stehend war. Handtaschen wurden heutzutage von unbekannten Besuchern ausgeräumt und es konnten weitaus schlimmere Dinge passieren.
    Der junge Mann ging zurück zum Gartentörchen. Sein Pferd, ein riesiges, graues Schlachtross mit hoch erhobenem Kopf und intelligenten Augen, war an Mrs. Whitakers Gartenzaun angebunden. Der Ritter durchsuchte seine Satteltasche und kam mit einer Pergamentrolle zurück.
    Das Schriftstück war unterzeichnet von Artus, König von Britannien, der all seinen Untertanen, ganz gleich welchen Ranges und Standes, kundtat, dass dies hier Galahad sei, Ritter der Tafelrunde, der sich auf eine gerechte und ehrenvolle Suche begeben habe. Unter dem Text folgte ein gezeichnetes Porträt des jungen Mannes. Gar nicht mal schlecht getroffen.
    Mrs. Whitaker nickte. Sie hatte eine kleine Karte mit einem Foto darauf erwartet, aber das hier war weitaus eindrucksvoller.
    »Ich denke, Sie kommen besser herein«, sagte sie.
    Sie gingen in die Küche. Die alte Dame kochte Galahad eine Tasse Tee und führte ihn dann ins Wohnzimmer.
    Galahad entdeckte den Gral auf dem Kaminsims und sank auf ein Knie nieder. Vorsichtig stellte er die Teetasse auf dem rostbraunen Teppich ab. Ein Sonnenstrahl fiel durch die Netzgardine, überzog sein verklärtes Gesicht mit einem goldenen Glanz und verwandelte sein Haar in einen silbrigen Glorienschein.
    »Er ist es wahrhaftig«, sagte er ganz leise. »Sangrail.« Seine hellblauen Augen zwinkerten dreimal in schneller Folge, als versuche er, Tränen wegzublinzeln.
    Dann neigte er den Kopf wie im stillen Gebet.
    Schließlich erhob sich Galahad und wandte sich an Mrs. Whitaker. »Huldreiche Dame, Hüterin des heiligsten der Heiligtümer, lasst mich ziehen mit dem gesegneten Kelch, auf dass meine Fahrt ein Ende habe und mein Geas erfüllt sei.«
    »Wie bitte?«, fragte Mrs. Whitaker.
    Galahad trat zu ihr und ergriff ihre alten Hände. »Ich bin am Ende meiner Suche«, erklärte er. »Endlich ist der Sangrail gefunden, ich brauche nur die Hand danach auszustrecken.«
    Mrs. Whitaker schürzte die Lippen. »Könnten Sie bitte die Teetasse aufheben?«, bat sie.
    Reumütig hob Galahad seine Tasse auf.
    »Nein, ich glaube, Sie irren sich«, sagte Mrs. Whitaker. »Mir gefällt er recht gut da oben. Genau richtig zwischen dem Hündchen und meinem Henry.«
    »Wollt Ihr Gold? Ist es das? Hohe Frau, ich kann Euch Gold bringen …«
    »Nein«, sagte Mrs. Whitaker. »Ich will kein Gold, vielen Dank. Ich habe einfach kein Interesse.«
    Sie brachte Galahad zur Tür. »Es war sehr nett, Sie kennen zu lernen«,

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