Die Messerknigin
weg. Er wollte sich setzen. Was in aller Welt hatte der Mann gemeint? »Wir brauchen immer einen Auftrag.« Das war wirklich seltsam. Niemand tat je etwas umsonst; so was gab’s einfach nicht. Er war drauf und dran, Kemble anzurufen und die ganze Geschichte abzublasen. Vielleicht hatte er ein wenig überreagiert, vielleicht gab es eine ganz harmlose Erklärung, warum Archie und Gwendolyn zusammen ins Lager gegangen waren. Er würde mit ihr reden. Ja, das wollte er tun. Gleich morgen früh würde er mit Gwennie reden …
Das war der Augenblick, da die Geräusche begannen.
Merkwürdige Schreie ertönten auf der anderen Straßenseite. Kämpfende Katzen? Füchse vermutlich. Er hoffte, jemand würde einen Schuh nach ihnen werfen. Dann hörte er draußen auf dem Flur vor der Wohnungstür ein gedämpftes Poltern, als schleife jemand einen schweren Gegenstand durch den Flur. Dann verstummte das Geräusch. Jemand klopfte an seine Tür, zweimal, ganz leise.
Die Schreie draußen vor dem Fenster wurden lauter. Peter saß auf seinem Stuhl und wusste, dass er irgendwo irgendwas nicht richtig mitgekriegt hatte. Das Klopfen wiederholte sich, hartnäckiger. Er war erleichtert, dass er die Tür abends immer absperrte und die Kette vorlegte.
Sie waren schon lange bereit, doch sie brauchten den Auftrag …
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Als das Ding durch die Tür kam, fing Peter an zu kreischen, aber er kreischte wirklich nicht sehr lange.
Ein Leben durchwoben von Moorcocks Frühwerk
Der bleiche Albinoprinz hob sein Schwert in die Höhe. »Dies ist Sturmbringer«, sagte er. »Und es wird dir die Seele aus dem Leib saugen.«
Die Prinzessin seufzte. »Also bitte«, sagte sie. »Wenn es das ist, was du brauchst, um die nötige Energie für den Kampf gegen die Drachenkrieger zu bekommen, dann musst du mich töten und dein Schwert sich an meiner Seele nähren.«
»Ich will das nicht tun«, sagte er ihr.
»Es ist schon in Ordnung«, versicherte die Prinzessin und mit diesen Worten zerriss sie ihr fließendes Gewand und entblößte ihre Brust. »Da ist mein Herz«, sagte sie und zeigte mit dem Finger. »Dort musst du zustoßen.«
Weiter als bis zu dieser Stelle war er nie gekommen. Das war an dem Tag, da man ihm gesagt hatte, er sei eine Klasse hochgestuft worden, und danach hatte es nicht mehr viel Sinn gehabt. Er hatte gelernt, niemals zu versuchen, eine Geschichte von einem Jahr ins nächste mitzunehmen. Inzwischen war er zwölf.
Aber es war ein Jammer.
Das Aufsatzthema lautete: »Eine Begegnung mit meiner literarischen Lieblingsfigur«, und er hatte Elric gewählt. Er hatte auch Corum, Jerry Cornelius und sogar Conan den Barbaren erwogen, doch Elric von Melniboné gewann mühelos, wie er es immer tat.
Zum ersten Mal hatte Richard Sturmbringer vor drei Jahren gelesen, als er neun war. Er hatte sein Taschengeld gespart, um sich Die singende Zitadelle zu kaufen (was in gewisser Weise eine Mogelpackung war, entschied er, als er es ausgelesen hatte, denn es enthielt nur eine Elric-Geschichte). Dann hatte er sich Geld von seinem Vater geborgt, um Die schlafende Magierin zu kaufen, wo Elric Erikose und Corum begegnet, zwei weitere Facetten des Ewigen Helden, und sie hatten sich zusammengetan.
Was bedeutete, erkannte er während der Lektüre, dass die Corum-Bücher, die Erikose-Bücher und im Grunde sogar die Dorian-Hawkmoon-Bücher eigentlich auch Elric-Bücher waren, also kaufte er sie. Und es machte ihm Spaß, sie zu lesen.
Doch sie waren nicht so gut wie Elric. Elric war einfach der Beste.
Manchmal saß er da und zeichnete Elric, versuchte, ihn genau zu treffen. Keins der Bilder auf den Buchcovern sah je so aus wie der Elric, der in Richards Kopf lebte. Er zeichnete seine Elrics mit Füller in leere Schulhefte, die er mit betrügerischen Methoden erworben hatte. Vorne drauf schrieb er seinen Namen: R ichard G rey . N icht stehlen .
Manchmal dachte er, er sollte sich seine Elric-Geschichte noch einmal vornehmen und sie zu Ende schreiben. Vielleicht konnte er sie sogar an eine Zeitschrift verkaufen. Aber was, wenn Moorcock das rausbekam? Was, wenn er Ärger bekäme?
Das Klassenzimmer war riesig und stand voller Holzpulte. Jedes Pult war von seinem Besitzer beschnitzt, verschmiert und mit Tintenflecken verziert, ein äußerst wichtiger Prozess. An der Wand hing eine Tafel mit einem Kreidebild: eine einigermaßen naturgetreue Darstellung eines Penis’, der sich auf ein yförmiges Ding zubewegte, das wohl die weiblichen Genitalien darstellen
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