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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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untereinander. Dann setzte er die Namen dahinter wie folgt:
    1. Archie G.
    2. Gwennie.
    3. …
    und so weiter.
    Nachdem er die ersten beiden eingetragen hatte, saß er da und kaute an seinem Stift und zermarterte sich das Hirn, um sich an jedes Unrecht zu erinnern, das ihm je zugefügt worden war, und dachte über Leute nach, ohne die die Welt glücklicher wäre.
    Er rauchte eine Zigarette. Er ging im Zimmer umher.
    Aha! An seiner Schule hatte es einen Sportlehrer gegeben, dem es das größte Vergnügen bereitet hatte, Peter das Leben zur Hölle zu machen. Wie hieß der Kerl doch gleich wieder? Und lebte er überhaupt noch? Peter war nicht sicher, also schrieb er kurzerhand hinter die Nummer 3.: Sportlehrer der Oberschule an der Abbot Street. Beim Nächsten ging es schon schneller. Vor ein paar Monaten hatte sein Abteilungsleiter sich geweigert, Peter eine Gehaltserhöhung zu geben. Inzwischen war die Gehaltserhöhung zwar doch gekommen, aber das war ja nicht entscheidend. Mr. Hunterson wurde Nummer vier.
    Als er fünf Jahre alt gewesen war, hatte ein Junge namens Simon Ellis ihm Farbe über den Kopf geschüttet, während ein anderer Junge namens James Sowieso in festgehalten und ein Mädchen namens Sharon Hartsharpe gelacht hatte. Sie wurden die Nummern fünf bis sieben.
    Wer noch?
    Im Fernsehen las ein Mann mit einem unangenehmen Grinsen die Nachrichten vor. Er kam auf die Liste. Und was war mit der Frau in der Wohnung nebenan mit dem kläffenden Köter, der immer in die Halle schiss? Sie und der Kläffer kamen an Nummer neun. Zehn war am schwierigsten. Er kratzte sich am Kopf, ging in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu holen, und stürzte dann zurück und schrieb ›Mein Großonkel Mervyn‹ hinter die 10. Es ging ein Gerücht, der alte Knabe sei ziemlich reich, und es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er Peter ein bisschen Geld hinterlassen würde (auch wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering war).
    Sehr zufrieden mit den Ergebnissen seiner abendlichen Denkleistung ging er zu Bett.
    Der Montag bei Clamages verlief routinemäßig. Peter war Verkäufer in der Buchabteilung – eine Position ohne viel Verantwortung und Stress. Er hielt seine Liste in den Abgründen der Hosentasche fest mit der rechten Hand umklammert und ergötzte sich an dem Gefühl von Macht, das sie ihm gab. Er verbrachte eine höchst angenehme Mittagspause in der Kantine zusammen mit der hübschen Gwendolyn (die nicht ahnte, dass er sie und Archie zusammen im Lager hatte verschwinden sehen) und schenkte dem aalglatten jungen Mann aus der Buchhaltung gar ein Lächeln, als er ihm auf dem Flur begegnete.
    Am Abend überreichte er Kemble voller Stolz seine neue Liste.
    Der kleine Verkäufer machte ein langes Gesicht.
    »Ich fürchte, dies sind nicht zehn Namen, Mr. Pinter«, erklärte er. »Sie haben die Frau von nebenan und ihren Hund als eine Person zusammengefasst. Das bringt uns auf insgesamt elf und das macht zusätzlich …« Er förderte hurtig seinen Taschenrechner zu Tage »… noch einmal siebzig Pfund. Wie wäre es, wenn wir den Hund vernachlässigten?«
    Peter schüttelte den Kopf. »Der Hund ist so schlimm wie die Frau. Wenn nicht schlimmer.«
    »Dann, fürchte ich, haben wir ein kleines Problem. Es sei denn …«
    »Was?«
    »Es sei denn, Sie wollen unseren En-gros-Tarif nutzen, Sir. Es ist ein regelrechter Dumpingpreis. Aber gewiss sind Sie nicht …«
    Es gibt Wörter, die bei bestimmten Menschen etwas auslösen, Wörter, die ihre Gesichter vor Freude, Erregung oder Eifer erstrahlen lassen. Umwelt kann ein solches Wort sein, Okkult ein anderes. Dumpingpreis war Peters. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Erklären Sie das genauer«, verlangte er mit der unerschütterlichen Selbstsicherheit des erfahrenen Käufers.
    »Nun, Sir«, begann Kemble und gestattete sich ein kleines, leises Lachen. »Wir können sie en gros für Sie entsorgen. Zu siebzehn Pfund fünfzig pro Kopf ab fünfzig aufwärts, wenn es über zweihundert sind, kostet es sogar nur einen Zehner pro Objekt.«
    »Und ich nehme an, Sie gehen auf fünf Pfund runter, wenn ich tausend Leute aus dem Weg geräumt haben will?«
    »O nein, Sir«, Kemble schien schockiert. »Bei solchen Größenordnungen können wir unseren Service zu einem Pfund pro Kopf anbieten.«
    »Ein Pfund?«
    »Ganz recht, Sir. Die Gewinnmarge ist eher schmal, aber der hohe Umsatz und die Produktivitätssteigerung würden den Preis durchaus rechtfertigen.«
    Kemble erhob sich.

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