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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Geschlechtskrankheit infiziert haben könnten?«
    Simon schüttelte emsig den Kopf. »Ich hatte seit fast drei Jahren keinen Sex.« Mit jemand anderem, hätte er beinah gesagt.
    »Nein?« Offensichtlich glaubte der Arzt ihm nicht. Er roch nach exotischen Gewürzen und hatte die weißesten Zähne, die Simon je gesehen hatte. »Nun, Sie haben entweder Gonorrhö oder USU. Vermutlich USU: Unspezifische Urethritis. Die ist weniger berühmt und weniger schmerzhaft als Gonorrhö, aber es kann schwierig sein, sie wieder loszuwerden. Gonorrhö behandelt man mit einer ordentlichen Ladung Antibiotika und alles ist vergessen. Tötet die kleinen Bastarde ab …« Er klatschte zweimal in die Hände, »einfach so«.
    »Also Sie wissen es nicht?«
    »Was von beiden es ist? Lieber Gott, nein. Ich werd nicht mal versuchen, es rauszufinden. Ich schicke Sie in eine Spezialklinik, die sich mit solchen Sachen befasst. Ich schreibe Ihnen eine Überweisung.« Er holte ein Formular aus der Schreibtischschublade. »Was machen Sie beruflich, Mr. Powers?«
    »Ich arbeite bei einer Bank.«
    »Kassierer?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Sachbearbeiter in der Kreditsicherheitenabteilung.« Ihm kam ein Gedanke. »Bei der Bank muss doch keiner hiervon wissen, oder?«
    Der Arzt wirkte entsetzt. »Um Himmels willen, nein.«
    In einer säuberlichen, runden Handschrift stellte er die Überweisung aus, die besagte, dass Simon Powers, sechsundzwanzig Jahre alt, vermutlich an USU leide. Er habe Ausfluss. Habe angegeben, seit drei Jahren keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Man möge ihn bitte über die Untersuchungsergebnisse in Kenntnis setzen. Er unterschrieb mit einem Schnörkel. Dann gab er Simon eine Karte mit Anschrift und Telefonnummer der Spezialklinik. »Hier. Da gehen Sie hin. Und machen Sie sich keine Gedanken, so was passiert vielen Leuten. Sehen Sie den Stapel Karten hier? Also, keine Sorge, bald sind Sie wieder ganz auf dem Posten. Rufen Sie dort an, wenn Sie nach Hause kommen, und machen einen Termin.«
    Simon nahm die Karte und stand auf, um zu gehen.
    »Keine Bange«, sagte der Doktor. »Es wird sicher nicht schwierig zu behandeln sein.«
    Simon nickte und versuchte zu lächeln.
    Er öffnete die Tür, um zu gehen.
    »Und auf jeden Fall ist es nichts wirklich Tückisches, wie etwa Syphilis«, sagte der Arzt noch.
    Zwei ältere Damen, die jetzt im Wartebereich im Korridor saßen, sahen hingerissen auf, als sie das hörten, und starrten Simon gierig an, der eilig zum Ausgang schritt.
    Er wünschte, er wäre tot.
    Als er draußen stand und auf seinen Bus wartete, dachte Simon: Ich habe eine Geschlechtskrankheit. Ich habe eine Geschlechtskrankheit. Ich habe eine Geschlechtskrankheit . Wieder und wieder, als sei es ein Mantra.
    Fehlte nur noch, dass er im Gehen eine Glocke läutete.
    Im Bus bemühte er sich, den anderen Fahrgästen nicht zu nahe zu kommen. Er war überzeugt, sie wussten es (sahen sie denn nicht das Pestzeichen auf seiner Stirn?), und gleichzeitig schämte er sich, dass er es vor ihnen geheim halten musste.
    Als er nach Hause kam, ging er umgehend ins Bad. Er rechnete damit, ein halb verwestes Horrorfilmgesicht im Spiegel zu sehen, einen verrotteten, mit bläulichem Schimmelflaum überzogenen Totenschädel. Stattdessen erwiderte ein Bankangestellter mit rosa Wangen seinen Blick, Mitte zwanzig, blond, perfekte Haut.
    Er holte seinen Penis aus der Hose und begutachtete ihn eingehend. Er war weder eitrig grün noch leprös weiß, sondern wirkte vollkommen normal bis auf die leicht geschwollene Eichel und den klaren Ausfluss, der die Öffnung benetzte. Er stellte fest, dass die Flüssigkeit seine weiße Unterhose befleckt hatte.
    Simon spürte Wut in sich aufsteigen; Wut auf sich selbst, aber mehr noch auf Gott, weil er ihm einen (sag es) ( Tripper verpasst hatte ), der offenbar für jemand anderen gedacht gewesen war.
    An diesem Abend masturbierte er zum ersten Mal seit vier Tagen.
    Er stellte sich ein Schulmädchen in blauen Baumwollhöschen vor, das sich in eine Polizistin verwandelte, dann zwei Polizistinnen, dann drei.
    Es tat überhaupt nicht weh bis zum Höhepunkt. Da fühlte es sich plötzlich an, als habe ihm jemand ein Springmesser in seinen Schwanz gestoßen. Als ejakuliere er ein Nadelkissen.
    Da begann er zu weinen in der Dunkelheit, aber ob vor Schmerz oder aus anderen, schwieriger zu umreißenden Gründen, wusste nicht einmal Simon selbst.
    Das war das letzte Mal, dass er masturbierte.

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    Ein

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