Die Messerknigin
finsteres viktorianisches Krankenhaus in Central London beherbergte die Klinik. Ein weiß bekittelter junger Mann inspizierte Simons Karte, nahm ihm die Überweisung ab und hieß ihn Platz nehmen.
Simon setzte sich auf einen orangefarbenen Plastikstuhl, der mit braunen Brandflecken übersät war.
Ein paar Minuten lang starrte er zu Boden. Als dessen Unterhaltungswert sich erschöpft hatte, glotzte er die Wände an und schließlich, als ihm nichts anderes mehr übrig blieb, die anderen Leute.
Sie waren alle männlichen Geschlechts, Gott sei Dank – Frauen waren eine Etage weiter oben – und es waren mehr als ein Dutzend.
Ganz entspannt schienen die Bauarbeitertypen, Machos, die zum siebzehnten oder siebzigsten Mal hier waren und sehr zufrieden mit sich wirkten, als sei, was immer sie sich eingefangen hatten, ein Beweis ihrer Potenz. Es gab auch ein paar Managertypen in Anzug und Krawatte. Einer war völlig gelassen. Er hatte ein Handy. Ein anderer versteckte seinen hoch roten Kopf hinter dem Daily Telegraph , offenbar sehr verlegen, dass er hier sein musste. Dann gab es ein paar kleine Männer mit dünnen Schnurrbärten und schäbigen Regenmänteln, Zeitungsverkäufer vielleicht oder Lehrer im Ruhestand; einen rundlichen malaiischen Herrn, Kettenraucher filterloser Zigaretten, der die nächste Zigarette immer mit dem Stummel der letzten anzündete, sodass die Flamme nie erlosch, sondern immer weitergetragen wurde. In einer Ecke saß ein verängstigtes schwules Paar. Keiner von beiden wirkte älter als achtzehn. Sie hatten offenbar heute auch ihren ersten Termin hier, so, wie sie sich verstohlen umblickten. Sie hielten diskret Händchen, die Knöchel schneeweiß. Sie hatten Todesangst.
Simon fühlte sich getröstet. Nicht mehr so allein.
»Mister Powers, bitte«, sagte der Mann an der Anmeldung. Simon stand auf. Ihm war nur zu bewusst, dass alle ihn anstarrten, dass er vor diesen Menschen beim Namen genannt und identifiziert worden war. Ein fröhlicher, rothaariger Arzt im weißen Kittel erwartete ihn.
»Folgen Sie mir.«
Sie gingen ein paar Flure entlang, durch eine Tür (auf einem weißen Papierschild, das mit Tesafilm befestigt war, stand mit schwarzem Filzstift geschrieben: Dr. J. Benham) ins Besprechungszimmer des Arztes.
»Ich bin Doktor Benham«, sagte er, ohne die Hand auszustrecken. »Sie haben eine Überweisung Ihres Hausarztes?«
»Die hab ich dem Mann an der Anmeldung gegeben.«
»Oh.« Dr. Benham öffnete den Aktendeckel auf dem Schreibtisch vor ihm. Ein computerbedruckter Aufkleber besagte:
E rstbehandl .: 2.7.1990. M ännlich . 90/00666.L
P owers , S imon
geb .: 12.10.1963. L edig
Benham las die Überweisung, besah sich Simons Penis und gab ihm ein blaues Blatt Papier aus der Akte. Es hatte den gleichen Aufkleber in der oberen Ecke.
»Nehmen Sie draußen auf dem Gang Platz«, wies er ihn an. »Eine Schwester wird Sie aufrufen.«
Simon wartete im Flur.
»Sie sind sehr empfindlich«, sagte ein sonnengebräunter Mann, der neben ihm saß, dem Akzent nach aus Südafrika oder vielleicht aus Simbabwe. Kolonialer Akzent jedenfalls.
»Wie bitte?«
»Sehr empfindlich. Geschlechtskrankheiten. Denken Sie mal drüber nach. Eine Erkältung oder Grippe können Sie kriegen, nur weil Sie in einem Raum mit jemandem zusammen sind, der es hat. Geschlechtskrankheiten hingegen brauchen Wärme und Feuchtigkeit und Intimkontakt.«
Meine nicht , dachte Simon, sagte aber nichts.
»Wissen Sie, wovor mir graut?«, fragte dann der Südafrikaner.
Simon schüttelte den Kopf.
»Es meiner Frau zu sagen«, sagte der Mann und danach schwieg er.
Eine Schwester kam und führte Simon fort. Sie war jung und hübsch und er folgte ihr in einen mit Vorhängen abgeteilten kleinen Raum. Sie nahm ihm das blaue Papier ab.
»Ziehen Sie das Jackett aus und krempeln Sie den rechten Ärmel auf.«
»Mein Jackett?«
Sie seufzte. »Für die Blutabnahme.«
»Oh.«
Die Blutabnahme war geradezu angenehm, verglichen mit dem, was folgte.
»Ziehen Sie die Hose aus«, wies sie ihn an. Sie hatte einen deutlichen australischen Akzent. Sein Penis war geschrumpft, hatte sich ganz in sich zurückgezogen. Er sah grau und runzelig aus. Simon verspürte den Drang, ihr zu sagen, dass er für gewöhnlich viel größer sei, doch dann nahm sie ein Metallinstrument mit einer Drahtschlinge am Ende in die Hand und er wünschte, sein Penis wäre noch viel kleiner. »Drücken Sie den Penis am Ansatz und schieben ein paar Mal aufwärts.« Das tat
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