Die Messermacher (German Edition)
ihren Namen und so erfuhr er nun doch noch, dass sie Helene Maiers hieß und hier auf diesem Campingplatz ihren einzigen Wohnsitz hatte.
„Ich lasse sie nun in Ruhe, damit sie weiterhin ihren Gedanken nachhängen können. Ich sehe doch, dass sie nicht ganz bei der Sache sind und will sie nicht länger stören. Und mein Amigo auch nicht“, fügte sie hinzu und packte ihren pudelnassen Hund am Halsband, kaum dass er die Pfoten ans Ufer gestellt, sich ausgiebig geschüttelt hatte und das Stöckchen dem netten Herrn in die Hand drücken konnte.
„Entschuldigung …“, hob Reno an, doch Frau Maiers schüttelte nur lächelnd den Kopf.
„Entschuldigung ist wohl ihr zweiter Vorname, was? Machen Sie sich keine Gedanken. Hier kommen viele Leute her, um mit sich alleine zu sein und ihre Ruhe zu haben. Das bin ich gewohnt. Ich liebe ja auch meine Einsamkeit hier. Melden Sie sich doch einfach, wenn Sie etwas brauchen, ja?“, fragte sie freundlich und ihr Lächeln zauberte doch tatsächlich ein kleines, schiefes Grinsen in Renos Gesicht.
„In Ordnung, Frau Maiers. Ich komme ganz bestimmt auf Ihr Angebot zurück“, murmelte Reno immer noch etwas zerknirscht, doch sein Gegenüber lächelte und streckte ihm ihre sonnenverwöhnte Hand entgegen:
„Ich bin die Helene. Hier duzen sich alle.“
„Reno … ato. Entschuldigen Sie … schon wieder … aber meine Freunde nennen mich Reno, deshalb verplappere ich mich andauernd“, stammelte er und wurde rot wie ein kleiner Schuljunge, während er das Holzstück unbeholfen in seinen Händen hin und her wandern ließ. Der Hund ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen, so als wolle er den Zeitpunkt des Wurfes auf keinen Fall verpassen.
„Kein Problem … Reno. Wenn ich Sie auch so nennen darf?“, fragte Helene und auch ihre Wangen zeigten eine leichte Röte, die man wegen ihrer braungebrannten Haut aber kaum wahrnahm.
„Selbstverständlich können Sie … äh … kannst du mich Reno nennen. Wenn hier alle per Du sind …“, sagte Reno, war jedoch mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders. Immer wieder schweifte er ab, was man ihm wohl erneut ansah, denn Helene winkte ihm lächelnd zu, während sie ihren Hund am Halsband schnappte und mit ihm in ihren kleinen Bungalow ging. Widerwillig ließ sich Amigo mitziehen, denn eigentlich wollte er viel lieber mit seinem neuen Freund Stöckchen werfen spielen. Das Holzstück hatte Reno inzwischen, ohne es bemerkt zu haben, fallen gelassen und so kostete es Helene einige Mühe, ihren Hund davon zu überzeugen, dass das Stöckchen nicht mehr für ihn bestimmt war.
Gebeugten Hauptes ging der 74-Jährige nun zurück zu seinem gemieteten Häuschen. Mit seinem schlurfenden Gang sah er um Jahre älter aus. Gerade so, als müsse er alle Last der Welt alleine tragen. Helene schaute nochmals kurz zu ihm herüber und fragte sich, was diesen eigentlich noch recht attraktiven Mann wohl so bedrückte. Kopfschüttelnd ließ sie sich in ihren Liegestuhl fallen, schnappte sich einen dicken Wälzer und begann zu lesen. Schnell war sie in ihrer Geschichte versunken und hatte fürs Erste ihren neuen Nachbarn vergessen. Ihr Hund aber nicht. Er lag zwar ganz artig neben seiner Herrin, ließ Reno dabei jedoch nicht aus den Augen. Wann würde dieser wohl wieder mit ihm spielen?
Ans Spielen dachte Reno jedoch überhaupt nicht mehr, vielmehr rang er mit sich, ob er seine Familie nun endlich anrufen sollte. Er musste ihnen sagen, warum er abgehauen war, sonst kamen sie womöglich noch dazu, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Er war einfach auf und davon, als er Adele nachts tot in ihrem Bett liegen sah. So einfach war das! Jeder Mensch reagierte doch anders und völlig unberechenbar in so einer Situation, oder nicht? Jeder verarbeitete seine Trauer anders, dafür gab es keine Richtlinien und keine Regeln. Er musste allen nur erklären, dass er einen Schock bekommen und auch immer noch hatte und darum konnte er auch heute nicht mehr zurückfahren. In seinem Zustand nochmal ins Auto zu steigen wäre sehr fahrlässig. Andererseits … wäre es nicht das Beste, wenn er durch einen Autounfall ebenfalls ums Leben käme? Wie konnte er ohne Adele weiterleben und vor allem mit seiner Schuld? Entweder hatte er sie umgebracht oder sie hatte sich über ihn so aufgeregt, dass sie gestorben war. So oder so hatte er sie auf dem Gewissen! Nur verurteilt werden konnte er nur für ersteres und das musste man ihm erst mal nachweisen. Er
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