Die Messermacher (German Edition)
würde zu Hause anrufen und einfach fragen, was inzwischen geschehen war. Vielleicht kam der Arzt ja zu dem Schluss, dass es eine natürliche Todesursache war und er war dann aus dem Schneider? Falls nicht, konnte er immer noch untertauchen. Doch wo sollte er hin? Zu Rüdiger konnte und wollte er nicht mehr – nie mehr! Das war aus und vorbei!
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Inzwischen hatte ich mich etwas beruhigt und war über meine plötzliche Nüchternheit selbst erstaunt. Nur noch rational denkend hatte ich im Internet nachgelesen, dass die Leichenstarre bei Zimmertemperatur meist vom Kopf abwärts nach etwa ein bis zwei Stunden einsetzt. Bei Hitze geht das schneller, bei Kälte dementsprechend langsamer. In diesem Zimmer hatte es so um die 20 Grad. War das nun eine normale Zimmertemperatur? Ach was – das war ja auch egal, denn ich wollte Reno so schnell wie möglich „entsorgen“. Da die Starre nach sechs bis zwölf Stunden voll ausgeprägt war und sich zwischen 24 und 48 Stunden wieder löst, musste ich jetzt schnell handeln. Da der Prozess bei Menschen, die vor dem Tod noch sehr aktiv waren, schneller in Gang kommt, musste ich mich jetzt echt beeilen. Denn vor Renos Tod hatten wir ja einen heftigen Streit und haben miteinander gerungen – also los jetzt! Reiß dich zusammen und fang endlich an! Mit diesen Gedanken trat ich mir selbst in den Hintern und ging hinunter in den alten Gewölbekeller, wo ich eine große Gefriertruhe stehen hatte. Als Hobbyjäger braucht man so was ab und zu, wenn die Jagd erfolgreich war. Zum Glück hatte ich in diesem Jahr noch keine Zeit zum Jagen gefunden und somit war die Truhe leer. Wenn ich meinen (ehemaligen) Freund etwas zusammenfaltete, würde ich ihn sicher dort hineinlegen können. Es war wirklich von Vorteil, wenn man alleine lebte und keine Freunde hatte. Zumindest war das fürs Erste eine gute Lösung und verschaffte mir Zeit, darüber nachzudenken, wie ich die Leiche noch ganz wegschaffen konnte.
Zunächst vergewisserte ich mich, dass niemand in der Nähe war. Ich ging nach draußen in meinen großen Garten und spähte die lange Auffahrt hinunter. Beruhigt sah ich, dass wirklich niemand zu sehen und auch kein Motorgeräusch von einem sich eventuell nähernden Fahrzeug zu vernehmen war. Mit dem Fahrrad kam in diese abgelegene Gegend sowieso nie jemand und zu Fuß eigentlich auch nicht, denn mein Haus stand weit außerhalb von Dresden. Heute, an diesem Montagvormittag hatte ich auch keinen Kundentermin und ohne vorherige Anmeldung kam niemand zu mir in die Werkstatt.
Wieder zurück in meinem Schlafzimmer überkam mich jedoch beim Anblick meines toten Freundes plötzlich eine so tiefe Trauer, dass ich laut aufschluchzen musste und mich neben Reno auf die Knie fallen ließ. Hemmungslos heulte ich nun Rotz und Wasser und wiederholte immer den gleichen Satz:
„Es tut mir so leid – ich wollte das nicht!“
Als meine Knie langsam zu schmerzen begannen und ich feststellte, dass Renos Hals bereits steif war, geriet ich wieder in Panik und fing an, ihn durchs Zimmer zu schleifen und über die engen Holzstufen nach unten zu zerren. Da ich ihn in meinem Wahn einfach an den Füßen gepackt hatte, rumpelte sein Kopf auf jeder Stufe und machte dabei ein so scheußliches Geräusch, dass es mir schon wieder schlecht wurde. Auf die Blutspur, die er hinter sich her zog, achtete ich nur am Rande – mir war nur wichtig, ihn so schnell wie möglich in die Truhe zu packen und am liebsten nie wieder sehen zu müssen. Bereits im Erdgeschoss schwitzte ich wie ein Schwein, doch ich schlitterte fast um die Ecke und die Steintreppe hinunter, die zum Keller führte. Die holpernden Schleifgeräusche blendete ich einfach aus, sonst hätte ich mich wirklich nochmal übergeben. Die Sauerei mit der Blutspur reichte mir schon, mehr würde ich heute nicht mehr ertragen. Unten angekommen, riss ich den Deckel der Truhe auf, hievte und zerrte den schweren Körper über den Rand und ließ ihn zunächst unkontrolliert hineinplumpsen. Natürlich ging der Deckel so nicht mehr zu und ich musste den armen Toten regelrecht zusammenfalten, damit ich die Truhe schließen und das Schnellfrostprogramm einstellen konnte. Dabei sah ich einen kleinen Leberfleck hinter Renos linkem Ohr, der mir bisher nie aufgefallen war. Komisch – bisher dachte ich, jeden Zentimeter seines Körpers genauestens zu kennen. Na egal – das war jetzt sowieso nicht mehr von Bedeutung, oder?
Nachdem das erledigt war, sank ich auf den
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