Die Messermacher (German Edition)
hinzu, da sie sich insgeheim nun doch ärgerte, das über Delfina erzählt zu haben. Sie mochte ihre Schwägerin sehr gerne und kam gut mit ihr aus. Immerhin half diese ihr bei der täglichen Kocherei und beim Sauberhalten der Werkstatt und des Hauses. Auch in ihrer ehrenamtlichen Bücherei, die sie zwei Mal in der Woche, nach der Arbeit in der Werkstatt, zusammen mit ihrer Freundin Carmen und deren Zwillingsschwester Carolin führte, half die gute Delfina aus, wenn Marianne mal keine Zeit hatte. Marianne hoffte inständig, dass ihre unbedachten Worte die Kommissare nicht auf die Idee brachten, die natürliche Todesursache infrage zu stellen. Es war für sie von größter Bedeutung, dass bald wieder alles seinen gewohnten Gang nahm und die Familie nach Adeles Tod so bald wie möglich wieder in Harmonie leben konnte. Marianne lag sehr viel an ihrer Familie und vor allem auch an der Firma, denn durch diese hatte sie in finanzieller Hinsicht keine Sorgen und so musste es auch bleiben! Wenn Reno dann endlich die Firma in die Hände seiner Kinder legen würde (Marianne zweifelte nicht daran, dass sie ihn nun, nach Adeles Tod, dazu bringen konnten), dann wäre ihr Glück perfekt! Ihre Bemühungen der letzten Zeit durften einfach nicht umsonst gewesen sein!
Erleichtert stellte sie daher fest, dass dieser junge Polizist die natürliche Todesursache wohl nicht infrage stellte, denn Herr Kiss entließ sie mit den Worten, nun den jüngsten Spross der Familie sprechen zu wollen. Zu seiner Überraschung kam jedoch auch Nora mit den Worten herein:
„Mein Bruder ist erst 16, den dürfen Sie nur gemeinsam mit einem erwachsenen Familienmitglied befragen und so bin ich gleich mitgekommen. Das ist doch in Ordnung, oder?“, fragte sie selbstbewusst und ließ sich in einen freien Sessel fallen. Die Beamten waren derart überrumpelt, dass sie nur nicken konnten. Doch Joska hatte sich gleich wieder gefasst und sagte:
„Sie kennen sich ja gut aus in unseren Gesetzen, muss ich feststellen.“
„Ich lese sehr viele Krimis und schaue solche Serien im Fernsehen an. Da lernt man eine Menge“, erklärte Nora nur und beugte sich interessiert vor.
„Was wollen Sie noch wissen?“
„Wer hat die Leiche entdeckt?“, fragte Herr Clemens, doch Joska winkte sofort ab.
„Das wissen wir doch schon. Der alte Angerer hat sie entdeckt.“
„Davon gehen wir aus, aber wissen tun wir das nicht. Ich wollte eigentlich wissen, wer von den hier Anwesenden heute früh die Leiche zuerst gesehen hat“, berichtigte sich Herr Clemens und schaute die beiden Jugendlichen fragend an.
„Das war ich“, sagte Felix leise und sah im gleichen Augenblick wieder die starren Augen seiner toten Großmutter vor sich.
„Hat sie da schon so dagelegen, wie ich sie vorhin gesehen habe?“, wollte Joska wissen.
„Nein … äh … das heißt ja“, fing Felix stotternd an, doch seine Schwester kam ihm zu Hilfe:
„Dagelegen hat sie genauso, wie sie bis vorhin gelegen hat, bevor die Bestattungsfirma sie mitgenommen hat. Als wir sie gefunden haben, hatte sie aber die Augen noch offen. Mein Vater hat sie dann zu gemacht“, antwortete Nora nun sachlich, doch ihrem Bruder lief dabei ein kalter Schauer über den Rücken. Nora bemerkte es und legte fürsorglich einen Arm um ihren zitternden Bruder.
„Sie hat so gestarrt“, murmelte Felix mehr zu sich selbst und die Kommissare wollten nun nicht noch mehr in den Jungen eindringen. Nach dem Verhältnis ihrer Großeltern untereinander gefragt, antworteten beide, dass es ganz normal gewesen wäre. Jeder hatte seine Aufgabe und seine Stellung in der Familie und niemand hätte daran etwas ändern wollen.
„Hat eure Oma Unterschiede zwischen euch gemacht? Hatte sie einen von euch mehr lieb als den anderen?“, fragte Herr Clemens und Joska sah ihn ob dieser Frage entsetzt an. Was sollte das nun schon wieder?
Bevor Felix allerdings den Mund aufmachen konnte, kam Nora ihm zuvor:
„Nein. Unsere Oma hatte uns beide gleich lieb und wir sind sehr traurig, dass sie nun nicht mehr bei uns ist. Nicht wahr, Felix?“, fragte die junge Dame und drückte ihren Bruder fest an sich. Der schaute mit einem eigenartigen Blick zu seiner Schwester auf, nickte dann aber bestätigend.
„Also alles in allem eine rundum glückliche und harmonische Familie, nicht wahr?“, stellte Herr Clemens fest, aber es klang ironisch, obwohl es eher eine Feststellung als eine Frage war. Doch Nora fühlte sich
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