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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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gewonnen hatte, erstickte den Knall mit einem Tuch, um Francisco nicht aufzuwecken. Das Licht der Lampe war schwächer geworden, war nur noch ein dunkelgelber Schimmer, der ihnen gefiel; vom erloschenen Herdfeuer ging eine lauwarme Welle aus, und um die Geborgenheit noch spürbarer zu machen, entlud sich der Sturm draußen mit aller Wucht.
    «Würde mich nicht wundern, wenn der Wind das Dach der Hütte abheben und über den Wald wehen würde», sagte Gombo.
    Er holte ein langes, dünnes Messer und tranchierte geschickt den Vogel. Das Fleisch war butterzart. Er trug Erna einen Flügel auf, entschied sich selbst für eine Keule und beträufelte beide Stücke mit je einem Löffel Soße.
    Sie aßen schweigend, lauschten all den Geräuschen des Sturms, die immer wiederkehrten; der Wind schien zu kommen und zu gehen, Böen krachten mit Donnergetöse gegen die Wände der Hütte.
    Erna probierte nur ein kleines Stück, trank ein Glas Wein und erhob sich.
    «Mehr isst du nicht? Du musst was Ordentliches essen.»
    Sie schüttelte den Kopf. Dann setzte sie sich in den Schaukelstuhl, der gerade noch in Reichweite des Lichtes stand, und schloss halb die Augen. Die Hände legte sie auf den Bauch.
    «Wie es sich bewegt!»
    Gombo ging zu ihr, um es auch zu fühlen. Er legte seine Hände auf die Stelle, die sie ihm anzeigte, und wartete, bis er erst einen kräftigen Tritt und dann eine Rolle vorwärts spürte, die so überraschend kam, dass sie beide lachen mussten.
    «Er streckt sich, als würde er sich räkeln. Schläft er genauso wie wir?»
    «Wenn du schläfst, schläft er auch.»
    Gombo reichte ihr einen Apfel, an dem Erna lustlos knabberte, während er sich über die Reste des Perlhuhns und der Flasche hermachte. Dann lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und sah sie wieder an. Sie hielt die Augen geschlossen.
    «Bist du müde?»
    «Nein, glaube nicht. Ich habe ja den ganzen Tag geschlafen.»
    Gombo holte eine Flasche Cognac und zwei Gläser hervor. Bevor er einschenkte, erwärmte er sie etwas über der Kerze.
    Kaum hatte er daran genippt, erhob er sich schon wieder, um Kaffee zu kochen.
    «In einer Nacht wie dieser», sagte er, «zieht es einen nicht ins Bett, weil man weiß, dass man früher oder später sowieso schlafen wird.»
    «Es gibt Leute, die kein Auge zutun, wenn es draußen stürmt.»
    «Kann man von uns nicht gerade behaupten, was? In Pringles schläft man rund um die Uhr. Manchmal frage ich mich… ob der Schlaf der Menschen nicht Teil einer Landschaft ist, Teil einer Gesellschaft. Doch wie soll man das berechnen?»
    Er dachte über seine Frage nach. Erna hatte begonnen, zwei kleine Zigaretten zu drehen, und als er ihre geschickten Finger sah (er fand sie bezaubernd), nahm Gombos Betrachtung eine neue Gestalt an.
    «Wie kommt es wohl?…», sagte er mit verträumter Stimme und brach ab.
    Erna hob den Blick.
    «Wie kommt es wohl», wiederholte er, «dass Frauen Männern die Zigaretten drehen?»
    Erna war diese Epiphanien gewohnt. Ihr Mann schien die Gabe zu besitzen, auf die verblüffendsten Fragen zu kommen, jede Situation regte ihn dazu an, auch die trivialste.
    «Wie nur?», sagte sie, aber er war zu verzückt, um ihren spöttischen Ton zu bemerken, und daher wiederholte er nur:
    «Wie?»
    Erna zündete die Zigaretten mit dem zusammengerollten Blatt eines Maulbeerbaums an, das sie zuvor in die Lampe gehalten hatte.
    Gombo war noch nicht fertig. Nach dem ersten Zug redete er weiter.
    «Gerade eben, als ich dich ansah, kam mir ein Gedanke, der eigentlich nichts mit den Zigaretten zu tun hatte: Warum nehmen schwangere Frauen so viel Raum ein? Ich kann es einfach nicht verstehen.»
    «Raum?»
    «Es ist mir unbegreiflich. Sie selbst werden zu Raum», sagte Gombo.
    «Es heißt, wir Schwangeren sehen überall Frauen, die in den gleichen Umständen sind wie wir. Beantwortet das deine Frage?»
    «Nein.»
    «Jedenfalls lässt es sich hier unmöglich überprüfen.»
    «Stimmt. Hier gibt es gar keine Frauen, die nicht gerade ein Kind austragen. Was sollten sie sonst auch tun? Zumindest bringen sie so ihre Zeit herum. Außerdem ist das ja auch der Grund, warum man sie in die Einöde schickt. Um sie zu bevölkern.»
    Es waren alte, liberale Witze, die Gombo aus Gewohnheit erzählte. Tatsächlich war er in Gedanken woanders.
    «Als ich von Raum sprach, meinte ich etwas anderes. Woher kommen die Kinder? Wann wird die Welt vollständig bevölkert sein?»
    «Auf all diese Fragen gibt es Antworten.»
    «Ich weiß, Kleines…

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