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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Die Lösung besteht darin, es in etwas ganz Schwieriges zu verwandeln, aber das übersteigt dann meine Fähigkeiten.»
    Sie spielten ein paar Stunden, bis sie Hunger bekamen. Mampucumapuro nahm den Bogen und die Pfeile und blickte hinüber zum Wald.
    «Ich bin gleich wieder da», sagte er.
    Er schlich vorsichtig durch den Schnee und verschwand zwischen den Bäumen. Als sie allein war, warf Erna eine kleine Harzkugel ins Feuer. Die Stille war vollkommen. Sie zweifelte fast, dass er etwas jagen würde, so stumm und entvölkert erschien ihr die Welt. Francisco spielte, indem er Fäuste voll Schnee ins Feuer warf. Erna rieb ihm die Hände mit Öl ein. Eine Eule flog ganz tief vorbei und bewegte sich wie unter Wasser. Sie hörte Mampucumapuros Schritte, der zurückkam. Ihr war, als sei seit seinem Fortgehen kaum eine Sekunde vergangen. Er hatte einige fette Vögel am Gürtel hängen und trug eine Tasche mit Eiern. Sie rupften die Vögel und fingen an, sie zu braten, nachdem sie sie mit Cognac beträufelt und mit den Eiern und ein paar Kräutern gefüllt hatten. Schon bald entfaltete sich ein köstlicher Duft.
    «Sind das Tschakalakas?», fragte sie ihn.
    «Vielleicht. Sie haben mit offenen Augen geschlafen.»
    Aus ein paar Federn machte er Wurfpfeile, um dem Jungen eine Freude zu machen. Er begoss das Geflügel wieder mit Alkohol und entlockte dem Feuer knisternde Funken, schließlich hakte er sie los. Die drei aßen mit großem Genuss.
    Mampucumapuro versprach, er werde sich fürs Abendessen mehr Mühe geben (denn die kleinen Vögel fand er fad im Geschmack), und nickte ein, während er eine Zigarre rauchte, die Erna ihm hinhielt. Danach schlief auch sie ein, Francisco als kleines Bündel vor ihrer Brust, und als sie wieder erwachten, herrschte ein anderes, kultivierteres Licht, und der Himmel leuchtete in einem dunklen und tiefen Silberton. Sie legten Holz nach, denn das Feuer drohte zu erlöschen. Sie spielten wieder, tranken Kaffee dabei, dann unterhielten sie sich, er spielte Flöte, sie erfanden Spiele für den Jungen. Es war ein Nachmittag, der in ihrer Affäre Geschichte machte. Er kam ihnen lang vor, unermesslich lang. Aber er ging vor ihren Augen seinem Ende entgegen. Erna zerdrückte ein paar kleine Teetassen aus Papier und warf sie in den Fluss. Mit einem Farbspiel kündigte sich prahlerisch die Dämmerung an. Ein veilchenblaues Wolkendach, das lange zu sehen war. Francisco war eingeschlafen, und die Liebenden betrachteten umschlungen die seltsamen unbegreiflichen Weiten, in Erwartung von etwas Sublimem, das nicht erwartet werden durfte, denn es geschah ständig und ohne sich zu zeigen.
    Beim letzten Tageslicht brach er auf, um etwas fürs Abendessen zu jagen. Er brachte Vögel und frisch geschnittene kleine Palmherzen und einen jungen Pekari, den er wimmernd im Bach gefunden hatte, wo er auf einer schwimmenden Insel aus Blauregen gehockt und sich nicht getraut hatte zu schwimmen. Es wurde bald dunkel.
    Gegen Mitternacht hörten sie Geräusche. Sie spielten Würfel im Schein des Feuers. Der Mond war noch nicht aufgegangen, obwohl er schon hinterm Horizont, mit der für ihn charakteristischen Langsamkeit, einen Lichtschimmer verbreitete. Sie konnten nichts sehen. Mampucumapuro nahm an, es sei ein Damhirsch. Sie dagegen konnte man bestimmt deutlich sehen. Schließlich hörte man Stimmen von jungen Leuten.
    «Hallo, ihr da! Ihr Spieler!»
    Eine Gruppe von Reitern näherte sich dem Turm. Vom Fuß des Turmes klang Stimmengewirr herauf, und sie sahen sie die Steine erklimmen, bis sie in dem goldenen Kreis des Feuers auftauchten, ein paar junge Leute beiderlei Geschlechts, von einem unbekannten Stamm, die sie unter Verbeugungen begrüßten und um Erlaubnis baten, ans wärmende Feuer zu treten.
    «Selbstverständlich», sagte Mampucumapuro, «setzt euch zu uns. Wo kommt ihr her?»
    Einer deutete nach Westen.
    «Gehört ihr zu Cafuls Gefolge?»
    Sie kannten ihn nicht einmal. Sie kamen von viel weiter her.
    Als sie erfuhren, dass die beiden wiederum aus Pringles waren (und Erna weiß war, ein Detail, das man nicht notwendigerweise auf den ersten Blick erkennen konnte), wurden sie aufmerksamer. Sie fand es seltsam, dass man das Prosaischste von allem, den fernen Osten der Indianerwelt, interessant finden konnte. Aber vielleicht war das gar nicht seltsam, denn damit wurde wieder einmal bestätigt, wie unermesslich groß die Welt und der Lauf der Zeit waren, die den Menschen relativierten. Sie setzten sich zwanglos ums

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