Die Mestizin
nachdem er ein paar Arm voll Feuerholz nachgelegt hatte, den Bogen und machte sich auf die Jagd. Auch diesmal blieb er nicht lange fort und kehrte mit einer unübertrefflichen Beute zurück: einer vierzig Kilo schweren Ente, mit braunen und goldenen Federn und roten Ringen. Er hatte ihren Hals mit einem Pfeil durchbohrt.
Sie aßen vor dem prachtvollen Schauspiel des Sonnenuntergangs zu Abend. Wie immer in diesen Breiten kamen bei Sonnenuntergang einige unzusammenhängende kosmische Phänomene zusammen. Zudem erstrahlte eine Himmelshälfte, obwohl es schneite, in tiefem Blau. Große Blitze überzogen den Horizont, unter einem phantastischen Regenbogen. Die Sterne wurden größer, und über den weißen Bäumen kam der Mond zum Vorschein, schneeverhangen.
«Um diese Stunde», sagte der Indianer, «verschmilzt alles miteinander und versöhnt sich wie ein Bild.»
Erna schnitt für Francisco Stücke aus der Entenbrust.
«Ein Bild?»
«Die Welt steht für die Kürze des Lebens, die Bedeutungslosigkeit der Menschen.» Er machte eine ausladende Geste mit dem gerupften Flügel, den er in der Hand hielt. «Die Vergänglichkeit des Lebens ist ewig.»
Sie warfen die Knochen in den Strom. Von ferne hörte man den Gesang der Flamingos, der die Nacht ankündigte. Sie machten sich auf den Heimweg nach Pringles.
Wird Espinas Friede tausend Jahre währen?, fragte sich Gombo eines Abends.
Eine Lampe aus rötlichem Papier leuchtete in der Mitte des Zimmers, und immer, wenn ein Luftzug sich hereinschlich und die Flamme zum Flackern brachte, hüpften die dunklen Winkel lustig auf und ab oder reckte sich das Licht bis zur Decke und entflammte im Stroh einen goldenen Halm.
Frisch gebadet lag der kleine Francisco nackt in der Wiege und lachte mit zusammengekniffenen Augen jedes Mal, wenn Gombo ihm die Rassel entgegenstreckte. Dann wurde sein schläfriges Gelächter immer leiser, bis er schließlich einschlief. Erna bat Gombo, noch einen Augenblick bei ihm zu bleiben, sonst würde er wieder zu weinen beginnen. Seine Augenlider wurden blass. Gombo deckte den Kleinen zu und wartete reglos. Er hatte die weiße Unterhose an, die er nur zu Hause trug, und ein gestärktes, ebenfalls weißes Hemd. Das Herdfeuer wärmte den Raum, aber draußen hörten sie den mit Wasser und Schnee getränkten Wind blasen. Bei Dämmerung war ein wütender Sturm losgebrochen, so dass sie den Abend in trauter Zweisamkeit verbringen würden.
Gombo trat an den Tisch und schenkte sich aus der angebrochenen Flasche ein Glas Wein ein. Er lauschte den Klängen des Windes und den Donnerschlägen:
«Dort oben», sagte er und zeigte zum Fort, «sind sie wahrscheinlich schlimmer dran.»
«Stehen sie auch bei Sturm Wache?»
«Theoretisch ja. Aber diese Türme sind derart baufällig, dass die Wächter unten schlafen, sobald es zu schneien beginnt.»
Sie schwiegen eine Weile. Erna hantierte am Herd herum. Gombo erbot sich, noch eine der Lampen anzuzünden, mit denen das Regal voll gestopft war; sie benutzten sie, um nachts nach draußen zu gehen; alle waren aus Papier, und alle waren leicht beschädigt.
«Ist nicht nötig, bin schon fertig.»
«Das duftet ja… Ist das Ente?»
«Nein. Perlhuhn. Ich habe es heute Nachmittag von einem Mann gekauft, der auf einem großen Pferd angeritten kam, von einem Jäger.»
«Das muss ein Fallensteller gewesen sein. Perlhühner sind tumbe Wesen, ein großartiges Geschäft. War es ein Indianer?»
«Ja. Seine Brust war mit schwarzen Blättern tätowiert.»
«Ein Indianer, dessen Brust mit schwarzen Blättern tätowiert ist…»
Plaudern ist schon etwas Angenehmes, dachte Gombo. Sie wechselten das Thema. Von der Decke flatterte ein brauner Schmetterling herab. Es war Mitternacht. Erna erhob sich erneut, um den Vogel vom Herd zu nehmen. Das Perlhuhn brutzelte in der Soße und wirbelte eine goldene Dampfwolke auf, die sie einhüllte. Mit größter Sorgfalt legte sie es in eine Schüssel und goss die Soße in eine Schale. Wie immer betrachtete sie der Ehemann mit grenzenlosem Erstaunen. Sie stand kurz vor der Niederkunft, und doch hatte sie eine geheimnisvolle Beweglichkeit an sich. Alles war geheimnisvoll, doch im Grenzland sprach man nicht darüber. Außerdem war das Perlhuhn schon auf dem Tisch und sah köstlich aus. Sie hatte den ganzen Tag geschlafen und folglich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Er bat sie, Platz zu nehmen und holte zwei saubere Gläser; dann entkorkte er eine Flasche Champagner, die er beim Würfeln
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