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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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nicht klappt», sagte er, «kannst du zu uns zurückkommen.»
    «Leb wohl.»
    Die Sonne ging unter, als sie wie eine Amazone auf einem kleinen bleigrauen Pferd zum Dorf hinausritt. Hinter ihr fahren die Karren. Auf dem einen waren die Kinder und die Indianerinnen, die auf sie aufpassten, auf dem anderen die fünfundzwanzig Käfige mit den Fasanen und die Metallkisten mit den Eiern. Die seit dem Vortag eingesperrten Fasane waren nervös. Sie kreischten ohne Grund, einige rupften sich vor lauter Wut die Federn aus. Kein einziger hatte das Futter angerührt, wohingegen sie den Wasservorrat bereits aufgebraucht hatten. Erna ließ die auf dem Kopf stehenden Flaschen an den Käfigen füllen und nutzte die Gelegenheit, um dem Wasser mehrere Tropfen eines starken Beruhigungsmittels beizumengen. Nach wenigen Minuten schliefen die Vögel ein oder lagen da und schauten dümmlich drein.
    Am vereinbarten Ort warteten die Tagelöhner mit ihren Frauen und einer beachtlichen Zahl von Kindern (sie selbst waren größtenteils auch nichts anderes). Sie stellten sich im Kreis um die Fasane und sahen sie verzückt an. Sie hatten sich zu diesem Anlass bemalt und bildeten ein beeindruckendes Ensemble. Bob, der unter der schwarzen Farbe, die ihn von Kopf bis Fuß bedeckte, nicht zu erkennen war, trat vor. Die Schultern voller Spritzer aus verschiedenen Grautönen. Das Haar glänzend vor Fett und am Wirbelansatz zusammengebunden.
    «Los geht’s», sagte Erna. «Wir haben keine Zeit zu verlieren.»
    «Ist es weit bis zu deinem Stück Land?»
    Sie zeigte auf eine Stelle hinter den Ausläufern des Waldes, wo die verträumten Sonnenstrahlen das Laub entflammten.
    «Nur ein paar Meilen. Aber die Karren sind so langsam, dass wir die ganze Nacht unterwegs sein werden.»
    Sie stiegen auf, setzten die Kinder aufs Gepäck und machten sich auf den Weg. Obwohl der Weg kurz war, kam er ihnen unglaublich wichtig vor, weil sie hinfuhren, um dort zu bleiben. Viel nahmen sie nicht mit, weil sie nicht viel besaßen. Wahrscheinlich dachte der eine oder andere, das Abenteuer mit der Tierfarm werde nicht lange dauern.
    Bevor es dunkel wurde, ging über dem düsteren Gesang des Virginia-Uhus der Mond auf. Dann kamen die Sterne hervor, die so groß waren, dass man glaubte, sie mit der Hand greifen zu können. Die Kinder waren eingeschlafen, die Erwachsenen taten es ihnen gleich. Die Indianerinnen, die auf den Hinterbacken der Pferde saßen, lehnten die Wange an den bemalten Rücken des Freundes und schlossen, den geheimnisvollen Geruch des Orleansbaums einatmend, die Augen. Die Wachgebliebenen zündeten sich Zigaretten an und rauchten gedankenverloren. Ab und zu gerieten die Pferde etwas näher aneinander, dann streckte eine Hand einer anderen eine Flasche entgegen. Die Nacht war warm, kein Lüftchen wehte, Insekten und einige Vögel zirpten unsäglich matt vor sich hin.
    Sie ritten am Saum des Waldes entlang, mal einem Nebenfluss folgend, mal zwischen Waldinseln hindurch, aus denen, als der Treck vorüberzog, eine Fledermauswolke aufstieg, die den Mond verdunkelte.
    Plötzlich hüpften gewisse vom Dunkel verklärte Zeichen wie Kaninchen vor Ernas Augen, um sich bemerkbar zu machen, und da wusste sie, dass sie auf ihrem Stück Land waren. Sie sagte es Bob, der an ihrer Seite vornweg ritt, und sie versuchten, die Uhrzeit zu bestimmen. Den Sternen nach zu urteilen, musste es kurz nach Mitternacht sein.
    «Nachts», sagte Bob, «geht die Reise schneller.»
    Sie ritten in den Wald hinein zu einem Bach, und als sie an dessen Ufer kamen, sagte Erna:
    «Wir können bis zum Morgengrauen ein paar Stunden schlafen. Sobald es hell ist, suchen wir uns eine Stelle, wo wir uns niederlassen.»
    Auf der ersten Lichtung, einem winzigen Rund aus schwarzen Bäumen, stiegen sie ab. Kaum waren sie frei, knabberten die Pferde und Ochsen an dem wilden Mangold, während die Hunde nervös den Boden beschnüffelten. Erna, die todmüde war, trug ihre Matte weit von den Lagerfeuern weg und legte sich hin, während die jungen Leute, die noch hellwach waren, rauchten und Schnaps tranken und vor allem unbekümmert wirkten – sie gaben sich stets die allergrößte Mühe, unbekümmert zu wirken, weil es eleganter war. Lachen erklang, Gemurmel, und die Flammen brachten ihre Bemalung zum Glänzen. Erna ließ sich vom Schlaf forttragen, und als sie aufwachte, zeigte sich das erste Licht am Himmel. Um sie herum schliefen alle, auf ihren Matten oder direkt im Gras. Sie setzte sich auf und atmete die

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