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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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feuchte, noch dämmerige Luft ein.
    Dann ging sie zu den Fasanen: Noch waren sie nicht aufgewacht, aber einige von ihnen hatten Alpträume und wälzten sich im Schlaf.
    Eine Indianerin wachte auf und sah sie an, als wüsste sie nicht, wer sie war. Auf ihre Wangen waren zwei Kreise tätowiert, der Zauber des Blicks, die man «omaruros» nannte. Erna hatte diese Zauber nicht, aber ihr Blick war so neutral und gleichgültig, als hätte auch sie welche. Einer nach dem anderen wachte auf. Als Erstes machten sie Feuer, um Kaffee zu kochen. Der Himmel färbte sich, die Vögel schliefen weiter. Es würde mühsam werden, die Pferde und Ochsen, die auf den Grashügeln vor sich hin schnarchten, auf die Beine zu bekommen. Die Sporangien der Bäume hatten sich die ganze Nacht als Windmühlen betätigt, und nun knackte das Feuer, wenn die Kapseln platzten. Die Indianer kämmten sich die Haare und überlegten laut, ob sie nicht mal eben ins Wasser hüpfen sollten.
    Nach mehreren Tassen Kaffee und einer Zigarette bat Erna diejenigen, die ihr am wachsten schienen, sie bei der Suche nach einer guten Stelle zu begleiten. Sie galoppierten los, immer am Ufer entlang. Das Sonnenlicht im Rücken, durchquerten sie Lichtungen und Waldungen, Weiden und Sümpfe. Erna wollte sich nicht zu weit entfernen: Es war besser, wenn die Schaltzentrale in der Nähe des Dorfes lag.
    Sie schlug vor, den Bach zu durchwaten und am anderen Ufer zurückzureiten. Auf halber Strecke stießen sie auf eine etwa zweihundert Hektar große, sanft abschüssige Au ohne Erhebungen, die an drei Seiten von Baumwänden und an der vierten von einem wunderschönen Strand des Pillahuinco begrenzt wurde. Der Boden war übersät mit wilden Kleeblättern, Veilchen und Vergissmeinnicht. Hie und da eine Jakaranda oder eine Linde.
    Hier hatten die Hühner Luft und Sonne, Wasser war reichlich vorhanden, und die Ausrichtung ergab sich von selbst. Am Strand stiegen sie ab: Es waren keine Spuren zu erkennen, ein Indiz dafür, dass die Stelle Jaguaren oder Nabelschweinen nicht als Tränke diente. Kaimane waren auch keine zu sehen. Sie diskutierten über den Standort für das Haus. Einige ritten los, um die Umgebung zu erkunden. Ganz in der Nähe taten sich weitere Lichtungen auf und bildeten mitten im Urwald einen Archipel. Etwas Geeigneteres würden sie nicht finden, also blieben sie hier. Sie holten die Karren, die sich langsam vorwärts wälzten und, nachdem sie unter Mühen den Bach durchquert hatten, gegen Mittag eintrafen.
    Nach einem raschen Frühstück, das aus gebratenen Damhirschkühen und Leguanschwänzen bestand, begannen sie die Gebäude zu errichten, arbeiteten leise und mit geschmeidigen Bewegungen. Sie verbrauchten alles Material, das sie gekauft hatten. Bereits am nächsten Tag war das Haus fertig, stand da wie ein seltsames Weichtier, das urplötzlich mitten aus der Lichtung geschlüpft war. Es war etwa sechs Meter hoch, unregelmäßig geformt und wies vier durch Vorhänge voneinander getrennte Bereiche auf. Das Papier hatte seine natürliche Farbe: helles Ocker. Die Fenster waren rund und mit Glimmer bedeckt. Alle lebten am liebsten im Freien, und solange der Winter noch nicht eingebrochen war, kamen sie gar nicht auf die Idee, in den zittrigen Mauern des Hauses Unterschlupf zu suchen. Wenn es so weit war, würden sie eben weitere Häuser errichten. Vielleicht auch in den Boden graben.
    Gleichzeitig kümmerten sie sich um die Gehege. Fasane brauchen, wenn sie Gegenstand intensiver Aufzucht sind, jede Menge Auslauf. Als sie aufwachten, waren sie äußerst gereizt. Erna hatte die Käfige zum Wald hin ausrichten lassen, damit sie keine Menschen sahen. Und in gewissem Abstand hatte sie Stangen mit kleinen Windrädern aus Papier aufstellen lassen, um ihnen etwas Zerstreuung zu bieten.
    Als die Dämmerung einsetzte und die Schreie unerträglich wurden, waren die Gehege fertig. Sie hatten einfach Seilnetze zwischen Pfosten gespannt. Dann drehten sie die Käfige um. Den Fasanen war schwindlig, sie fielen hin und schlugen mit den Schnäbeln auf den Boden, der mit weichen Keimen übersät war. Sie trennten die beiden Männchen und gaben ihnen jeweils die Hälfte der Weibchen. Das Stöhnen hielt an, wurde aber schwächer.
    Erna war ein wenig deprimiert beim Anblick der etwa zwanzig mickrigen Fasane und der beiden armseligen Zuchttiere. Sie waren gelb und von minderwertigster Qualität, einer Art, die kaum den Weißen genügte, gar nicht zu reden von den Indianern, die sich nicht

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