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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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wenig.»
    Die zweitwichtigste Tätigkeit war die Genetik und Pflege der Fasane. Erna fühlte sich von der Welt der Züchter angezogen, und bald kamen sie ihr wie Schatten vor. Und auch die Vögel selbst, die ihr anfangs so fest und kompakt erschienen waren, begriff sie jetzt als Splitter einer wundersamen Fragmentierung der Leidenschaft und ihre Farben als Zeichen für die Abwesenheit von Gedanken.
    Evaristo Hugo verschaffte ihr Zugang zu den Gärten der Magnaten. Monatelang unternahm sie Exkursionen zu ihren phantastischen Bomarzos aus Federn, aber sie fand sie zu gekünstelt, zu rokokohaft, um wirklich Staunen hervorzurufen. Sie wollte auf einer der großen Zuchtfarmen leben, den letzten Heiligtümern der irrealen Arbeit, verborgen im geheimsten Winkel des Waldes, fernab ihrer üblichen Ausritte.
    Ihr Mann, der das alles sah, verstand die Unruhe, die sie ergriffen hatte, und die Unvermeidlichkeit ihres Aufbruchs. Trotz des Kummers, den es ihm verursachte, gab er ihr, ohne zu zögern, die besten Empfehlungen für die Fasanenzüchter mit, und so brach sie eines Tages auf und folgte einem Tross, der zur kaiserlichen Zuchtfarm zurückkehrte, nachdem er seine Ladung gemästeter Vögel auf den königlichen Tischen abgeladen hatte. Die Abreise des Hofes, den sie sich inzwischen als Salto immortale vorstellte, ging mit unmerklicher Leichtigkeit vonstatten. Alles löste sich einfach auf, und innerhalb weniger Wochen fand sie sich in einem anderen, wenn auch ähnlichen Umfeld wieder. Auf der Zuchtfarm gingen die einen Zerstreuungen in die anderen über, bis sie schließlich ganz verschwanden. Die Feststellung, dass die Arbeit auch dort nicht existierte, überraschte sie nicht. Es war die letzte und endgültige Lektion, die sie lernen musste. Danach überstürzte sich alles im Stillen. Es gab keine Anabasis.
    Sie heiratete einen der zoologischen Ingenieure. Im Sommer und im Herbst begleitete sie ihn bei seinen täglichen Verrichtungen und half ihm, wenn er im Wald Tiere aussetzen musste. Es war eine angenehme, aber etwas ungewisse Phase. Sie brachte ihren dritten Sprössling zur Welt, ein weiteres Mädchen, das so klein und wohlgestaltet war, dass es wie eine Puppe aussah.
    Die Zeit verging. Die Welt wurde von Schwermut erfüllt, von einem tiefgründigen Humor. Die Gleichförmigkeit der Tage, das ewig gleiche Blau des Himmels, das ihr früher Träume in Hülle und Fülle beschert hatte, trieb jetzt ihren Geist über ihr eigenes Leben hinaus, in unbestimmte Regionen. Sie spürte das Zaudern, dieses Eingeborenengefühl.
    Sie teilte ihrem Mann mit, dass sie beschlossen habe, zu dem Fort zurückzukehren, aus dem sie vor Jahren verschleppt worden sei. Gemeinsam studierten sie die Landkarten. Sie würde über zweihundert Meilen Wald durchqueren müssen, aber er hatte das Gefühl, die Exkursion würde einen glatten, engelhaft schwebenden Verlauf nehmen. Er schenkte ihr zwei Fasane und zwei kleine graue Pferde, eines davon mit Doppelsattel, auf dem die beiden älteren Kinder sitzen konnten, während Erna die Kleine auf dem Rücken trug. Im Morgengrauen brach sie auf.
    In Pringles hatte sich nicht sonderlich viel getan. Weiterhin kamen Lieferungen von Strafgefangenen an und ersetzten die durch Indianerüberfälle und Fluchten dezimierte Bevölkerung. Beamte trafen ein, noch ganz durchdrungen vom Quadrivium der Akademien, und traten die Stellen derer an, die befördert worden oder verschwunden waren. Nichts davon hatte die Physiognomie des Dorfes oder den Alltag im Fort grundlegend verändert. Espina mit seiner Autokratie und seinen Machenschaften war der Gleiche wie immer, ebenso die tausendmal zerstörten und wieder aufgebauten Hütten. Die Herde weißer Ponys graste auf den Hügeln, Kinder gab es nach wie vor in Hülle und Fülle, die Männer widmeten sich voll und ganz der Zerstreuung und dem Nichts.
    Die einzige wahrnehmbare Neuerung war die vor sechs Monaten gefällte Entscheidung der Kommandantur, allen Siedlern, die darum baten, Land zuzuteilen. Obwohl die Regierung diesen Schritt schon vor Jahren autorisiert hatte, entschloss sich Espina erst dann dazu, als er die finanziellen Bedingungen dafür geschaffen hatte, dass Arbeit absolut undenkbar war. Einige Soldaten baten darum, in Pension gehen zu dürfen, forderten Land in Flussauen und bauten leichte, zittrige Häuser, die der erste Regen wegspülte. Abgesondert von der gewöhnlichen Gesellschaft, hatten sie ihre namenlosen Wünsche nach Ruhe und Reglosigkeit ins Kraut

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