Die Mestizin
spiegelte das spärlichste Licht: die Mischung aus Tag und Nacht.»
«Geld war schon immer ein zersetzendes Element. Die Menge selbst ist zersetzend. Die Menge der Arten auf der Welt zersetzt die Natur. Die Menge der Natur zersetzt den Menschen. Kein Wunder, dass das Papiergeld, bei dem die Menge alles ist, immer kurz davor, sich zu vervielfachen, eine Katastrophe ausgelöst hat. In der europäischen Zivilisation war es der Sadismus, der den Verwandlungen Einhalt gebot. Die Indianer erfanden das Theater des Geldes. Wie so oft bei ihren Mechanismen, hat auch dieser etwas Widersprüchliches: Es ist ein gleichgültiger Sadismus. Bei den Indianern war der sadistische Komplex stets ein soziales Prinzip. Nun befinden sie sich in der Evolution der Darstellungen in einem anderen Stadium. Sadismus ist Macht und Lust; und vor allem Wiederholung. Meiner Meinung nach sind die Indianer einen Schritt weiter, nämlich bei der anderen Wiederholung. Sie sind beim Geld angelangt, das sich gleichzeitig anhäuft und vernichtet. Wir hingegen sind weit davon entfernt…» Er seufzte wieder und schloss: «In einer Fasanenfarm.» Und dann, in einem anderen Tonfall: «Haben Sie schon mit der Arbeit begonnen? Haben sich die Zuchttiere bereits ausgezahlt?»
Erna zuckte mit den Schultern.
«Es ist noch zu früh, um das beurteilen zu können. Für die Reise hatten wir die Fasane betäubt. Wir mussten also ein paar Tage warten, bis sie wieder ganz zu sich gekommen waren, und einige haben sich nicht gut akklimatisiert: Es ist sehr feucht hier. Aber ja, wir haben die Arbeit aufgenommen. Zuerst haben wir die Weibchen befruchtet, die ersten beginnen bereits zu legen.»
«Das würde ich mir gerne mal ansehen.»
«Selbstverständlich. Wir werden nachher einen Rundgang machen.»
Sie hatte ihn zum Mittagessen eingeladen. Allein saßen sie in einem der Räume von Ernas Wohnhaus im Schneidersitz auf einer Matte. Ein schräges Papier diente als Wand und Decke, und zwei angewinkelte Wandschirme trennten sie vom Rest der Behausung, wo einige Dienstmädchen gerade beim Essen saßen. Zwischen den beiden standen mehrere Reihen Teller und Gläser, von denen sich der Oberst behutsam bediente.
Erna hielt das jüngste ihrer drei Kinder im Arm, ein vier Monate altes Mädchen. Als sie ihr Kleid aufknöpfte, um es zu stillen, konnte der Oberst nicht verhindern, dass er beim Anblick ihrer Brust vor Bewunderung zusammenfuhr. Sie war ein Sinnbild der Reinheit. Aber er erinnerte sich an die Gerüchte, die über sie im Umlauf waren und ihren Weg sogar ins Fort gefunden hatten. Ernas Jugend war der vollendete Beweis für ihre Unschuld und Lüsternheit. Alterslosigkeit war immer rätselhaft, dachte Espina; es fehlte an Gewissheiten. Allerdings schwitzten diese Kinder Begierde aus.
Eine Indianerin kam mit einer Schüssel junger Tauben herein und stellte sie neben den Oberst. Er schlang eine herunter und dann gleich noch eine. Mit zwei Fingern packte er sie links und rechts an den Füßen und führte sie zum Mund. Er biss die Schenkel und Brüste heraus, kaute sie gemächlich und spülte mit Alkohol nach. In Reichweite stand eine runde Karaffe, aus der er sich immer wieder eingoss. Die abgenagten Gerippe warf er in einen Korb.
Erna wartete, bis die Kleine eingeschlafen war, und brachte sie dann ins Bett. Danach aß sie ein Ei. Der Oberst beglückwünschte sie zu ihren Waldschnepfen.
«In der Umgebung haben wir Wild in Hülle und Fülle entdeckt», sagte sie. «Waldschnepfen, Wachteln, Perlhühner, Kiebitze. Meine Tagelöhner betreiben die Jagd als Sport. Sie hetzen sie so lange, bis sie sie gefangen haben. Ich fürchte, dass die Fasane allen den Garaus machen werden, so wenig gutmütig, wie sie sind. Sobald wir sie aussetzen, wird sich die Fauna der Gegend verändern.»
«Wann rechnen Sie damit?»
«Im Frühling werden wir zweitausend Fasanenküken so weit haben, dass wir sie in die freie Wildbahn entlassen können.»
Der Oberst stieß einen bewundernden Pfiff aus.
«Eine beeindruckende Zahl. Wenn dadurch diese mickrigen Hühner verschwinden, sei’s drum! Die Veränderung ist es wert. Und die Jaguare, die Pekaris?»
«Wo Fasane sind, hat das Großwild keine Chance.»
«Wie dem auch sei, jedenfalls wundert es mich, dass Sie die Fasane aussetzen wollen.»
«Nicht alle. Nur so viele, wie nötig sind, um einen Sperrring um die Tierfarm zu legen. Die meisten werden wir hier behalten und gemäß der indianischen Technik bearbeiten: Befruchtung, Brutkästen, Mast.
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