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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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aus Bambus, auf dem der Auktionator sitzen würde. Man bot, indem man die Geldrolle auf ein kleines rotes Pult legte, das vor jedem Sitz stand.
    Bob hielt ein illustriertes Programm mit der Liste aller Sieger und Zweitplatzierten in der Hand. Am Vormittag hatten sie jedes einzelne Exemplar eingehend studiert und ihre kleinen Notizbücher voll geschrieben. Sie waren an fast allen prämierten Exemplaren interessiert.
    Von dort, wo sie saßen, hatten sie einen guten Blick über das Stadion. Kaum hatten die Kaziken und Abgesandten sich gesetzt, schienen sie einzuschlafen. Sie hüllten sich in dicke Wolken aus Zigarrenrauch und stellten ein absolutes Desinteresse an allem, was vor sich ging, zur Schau.
    Der Boden war mit gefärbtem Sand bedeckt, einem speziellen Grau, vor dem sich die Farbe der Fasane besonders gut abhob. Dann plötzlich marschierten die Fasane auf, während gleichzeitig die überdrehte Stimme und der irrwitzig schnelle Wortschwall des Auktionators aus dem Pappmegaphon schallte.
    Vierzehn Tage später, als sie längst wieder heil zu Hause angekommen war, schloss Erna ihre Schilderung für den Kommandanten mit folgenden Worten:
    «Noch nie hatte ich einen Nachmittag mit so vielen Möglichkeiten erlebt. Ich kann aber nicht sagen, es wäre ein völlig absurder Nachmittag gewesen. Die Sinnlosigkeit schien sich ständig Bahn brechen zu wollen, aber im kritischen Moment geschah nichts. Oder besser gesagt: Es gab keinen kritischen Moment. Alles war Wiederholung. Das, was man einen ‹verzauberten Nachmittag› nennt. In solchen Augenblicken denkt man, dass der drohende Skandal den Himmel ins Wanken bringen wird. Aber die Indianer wissen gar nicht, was ein Skandal ist. Weil er menschlich ist, das Menschliche schlechthin.»
    «Wobei darin auch etwas Unmenschliches mitschwingt», unterbrach sie Espina. «Ich dachte an eine Zivilisation, die gänzlich aus Skandal besteht.»
    «Als die letzten Sieger versteigert wurden, war es schon fast Nacht. Das Stadion, das während der ganzen Veranstaltung wie ein an den Wolken hängender Korb ausgesehen hatte, wurde nun zu einem in der Hölle ausgegrabenen Impluvium, das nur an den hohen Linien der Tribünen Licht abstrahlte. Meine Nachbarn, denen längst die Geldrollen ausgegangen waren, holten Katzenmasken aus Jade hervor. Manche setzten sich Helme auf. Andere schwarze Augenmasken ohne Löcher. Alles war plötzlich furchterregend. Ich frage mich, wie ich die Ruhe bewahren konnte, denn schließlich waren wir zu weit gegangen. Meine beiden Freunde verschwanden, bis zum nächsten Tag hörte ich nichts mehr von ihnen. Die Priester hatten sie mitgenommen. Jetzt, in diesem Augenblick, sagte ich mir, wird ihnen das Herz herausgerissen. Ich übernachtete in einer der Apadamas des Königs, einem blau gestrichenen Trapezoid aus Rinde. Einer meiner beunruhigenden Bettgenossen schenkte mir diesen Ring.»
    Sie lächelte nervös und reichte ihm den goldenen Ring. Der Oberst betrachtete ihn eingehend. Dann drehte er ihn zwischen den Fingern und legte ihn auf den Boden. Eine Weile lang schwieg er mit konzentrierter Miene. Schließlich seufzte er und sagte:
    «Ich verstehe immer noch nicht, wie es Ihnen gelungen ist, da lebend wieder rauszukommen. Keiner meiner Agenten hätte das geschafft. Sie wären der Überraschung zum Opfer gefallen. Aber der Gleichmut ist eine noch größere Überraschung.» Nachdenklich hielt er einen Moment inne. «Manchmal frage ich mich, ob wir die Indianer je verstehen werden. Das grenzenlos Kindische. Solange sie unter sich sind, halten sie es nicht für nötig, es zu verhehlen. Was tun? Wir verstecken uns mit Leib und Seele in der Masse, aber ihnen erlaubt ihre ästhetische Lage, sich durch ihre Präsenz zu verbergen. Sie sind stets sichtbar. Wie das Geld…»
    Erna nickte zustimmend.
    «Das habe ich erst jetzt begriffen. Und das, obwohl ich zwei Jahre unter ihnen gelebt habe. Im täglichen Leben ist das Geld ein fast allmächtiges Mittel. Dort hingegen zeigte es sich gekrönt von seiner göttlichen Nutzlosigkeit. Als ich die Rollen sah, lief es mir kalt den Rücken herunter. Es war offensichtlich, dass der wundersame Schleier (das Geld), der alle Dinge verdeckt, gelüftet worden war. Die Halbmasken sind Amulette. Ihre Funktion ist wohl, die Löcher zu stopfen, die während des Geschehens aufreißen.»
    «Was haben sie mit den Masken gemacht?»
    «Nichts, nur vorgezeigt. Wie ich schon sagte, holten sie die Masken erst am Ende hervor, im Morgengrauen. Die Jade

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