Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
Vom Netzwerk:
Schlafzimmern unter dem Dach führte.
    Pidge stand vom Tisch auf und
ging zu dem altmodischen Kamin.
    Im Kamin, zu beiden Seiten des
Feuers, waren zwei kleine gemauerte Sitze. Man konnte sich da drinnen hinsetzen
und durch den Kamin hinaufschauen; oben sah man ein Stückchen Himmel. Er zog
die Knie an, um ein knöchernes Lesepult zu haben, auf das er seine Seiten aus
Patricks Schriften legen konnte. Er machte es sich bequem, um sie in Ruhe anzusehen.
    Sie waren alt, aber Pidge wußte
nicht, wie alt. Sie strömten einen modrigen Geruch aus, der mit einem anderen
Duft gemischt war — ein bißchen wie Kampfer und alte Rosenblätter. Die Seiten fühlten
sich steif an und waren mit abgenützten Lederriemchen zusammengehalten.
    Ich weiß, was das ist! jubelte
er innerlich. Es gehört zu einer alten keltischen Handschrift, die vor langer
Zeit von einem Mönch in seiner Bienenkorbzelle in einem der Klöster geschrieben
und gemalt wurde. Was für ein Glück ich hatte! Ich kann ihn mir richtig
vorstellen, wie er seine eigenen Farben herstellte, weil er sie schließlich
nicht kaufen konnte, wo es doch gar keine Läden gab, und wahrscheinlich fielen
ihm im Winter fast die Finger ab vor Kälte — und die Nase auch. Es würde mich
nicht wundern!»
    Er blätterte die Titelseite um
und sah, daß das nächste Blatt mit vielen inzwischen verblaßten Farben bemalt
war.
    Auf den ersten Blick meinte er
nur ein kunstvolles Muster zu sehen, das sich in schwungvollen Schlingen und
Spiralen über die Seite wand und dabei fein und sorgfältig ausgearbeitet war.
Dann sah er, daß sich in dem Muster Tiere versteckten, Fabeltiere, die nicht
aus der Natur, sondern aus Menschenträumen stammten.
    Oh, fragte er sich, berühre ich
wirklich Blätter, die von einem dieser Mönche aus ferner Zeit gemacht und
benutzt wurden? Ob er wohl viel solche Arbeit bei Binsenlicht abends oder an
dunklen Wintertagen tun mußte? Was würde er von Elektrizität halten oder von Druckmaschinen
oder Photographien oder all den Sachen, die man in Warenhäusern kaufen kann?
Aber wie kommt es überhaupt? All die alten Handschriften sind doch längst in
Museen und Universitäten gelandet und werden als große Schätze angesehen. Das
hier muß eine Fälschung sein.
    Als er die Seite gerade
umblätterte, fiel ein loses Blatt heraus. Er konnte es im letzten Moment noch
erwischen, bevor es ins Feuer fiel; da hörte er die Stimme aus dem Kamin.
    Sperr es in Eisen ein, flüsterte sie.
    Pidge erstarrte zu einem
Standbild seiner selbst. Er wagte es nicht, sich zu regen. Er saß da und
schaute vor sich hin, ohne etwas zu sehen, aber er fühlte alles mit seinem
Nacken. Nachdem er eine ganze Weile so gesessen hatte, versuchte er, seinen
Kopf in seinem Körper verschwinden zu lassen wie eine Schildkröte, die sich
unter ihren Panzer zurückzieht.
    Es war, als erwarte er, einen
Schlag auf den Kopf zu bekommen.
    Hab keine Angst sagte die Stimme. Ich bin
dein Freund.
    Oh, was soll ich nur tun,
dachte Pidge ängstlich.
    Tu ich dir weh? fragte
die Stimme unendlich sanft
    «Nein».
    Glaub an meine Freundschaft!
    «Aber ich hab’ Angst»
    Horch! sagte die Stimme.
    Musik strömte aus dem Kamin
herab wie Wasser, das über einen Felsen in die Tiefe stürzt. Es klang
besänftigend — und zugleich wogte duftendes Licht herunter, im Einklang mit den
klaren und vollkommenen Tönen einer einzelnen Flöte, in denen das Licht
frohlockte und tanzte.
    Dann verblaßte und verklang
alles.
    Schau hinauf!
    Pidge schaute hinauf und sah
den Nachthimmel. Er war erfüllt von glitzernden Sternen.
    Ich schreibe meinen Namen, sagte die Stimme.
    Aus der Schar der Sterne
formten die größten und hellsten das Wort
     

     
     
    Pidge spürte, daß es ihn am
ganzen Körper schüttelte. Langsam merkte er, daß es Tante Bina war, die sagte:
    «Wach auf! Bist du verrückt? Du
könntest ja ins Feuer fallen, wenn du da drinnen schläfst.»
    Dann war es also ein Traum
gewesen; ein wunderbarer Traum und doch wie wirklich.
    Er sah in den Kamin hinauf.
    Er war wie immer riesig, breit
und rußig — nichts Wunderbares war daran. Der Himmel hatte sich bezogen. Kein
einziger Stern schien durch die dichte dunkle Wolkendecke.
    Tante Bina war in ihrer
gesprächigen Stimmung. Sie sprudelte sofort los mit einem humorvollen Bericht
über die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Tages. Es ging vor allem um den
Kampf mit einem durchtriebenen jungen Huhn. Es hatte seine Eier nämlich seit
einer Woche in ein Versteck gelegt. Tante

Weitere Kostenlose Bücher