Die Meute der Morrigan
Händen.
«Stellt euch hier unter, bis es
ganz hell ist», sagte der Elch, und dann war er hufeklappernd im Morgendunkel
verschwunden. Sie hörten, wie er seinen Lauf beschleunigte und zu galoppieren
begann, und lauschten, bis seine Tritte allmählich verhallten und sie nichts
mehr hörten. Noch etwas wackelig traten sie in den Schuppen und setzten sich
auf einen Heuhaufen. Ernst lächelten sie einander an, während sie auf das Licht
des Tages warteten; denn das, was sie mit dem Elch erlebt hatten, war zu
überwältigend, als daß sie darüber hätten sprechen können, und sie waren wie
unter einem Bann.
Sie warteten und wickelten die
Schnüre gemächlich zu Knäueln auf, bis die Sonne schon eine Weile den
Himmelsrand erhellte. Sie warteten, bis die Vögel ihr erstes Lied gesungen
hatten, bis das Morgenlicht heraufgezogen und die Dunkelheit vergangen war.
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sie schließlich aus dem kleinen Wagenschuppen traten, sahen sie sich voller
Neugier um. Nachdem sie so lange durch das Dunkel der Nacht geritten waren,
wollte vor allem Pidge herausfinden, ob der Elch sie in die Nähe der Berge
gebracht habe. Aber die ganze Umgebung war noch in Morgendunst gehüllt, und man
konnte in keiner Richtung weit genug sehen.
Jetzt nahm der Schuppen selbst
ihre Aufmerksamkeit gefangen. Er war ungewöhnlich, denn er hatte ein Türmchen
mit einer Wetterfahne auf der Spitze. Sie waren sich einig, daß sich jemand
dieses seltsame Ding zum Vergnügen gebaut haben mußte.
Die Wetterfahne war eigenartig
— ein Mann aus bemaltem Metall. Er stand auf einem Bein und streckte das
andere, im Knie gebeugt, nach hinten weg; und seine beiden Arme hielt er weit
ausgebreitet, was anmutig hätte wirken können, wären sie nicht so steif und
starr gewesen. Wie er da so auf einem Bein stand und die Arme ausbreitete, als
wolle er das Gleichgewicht halten, sah er genau aus wie ein Schlittschuhläufer;
aber einer, dem seine Angst arg zusetzt.
Er hatte eine ungewöhnlich
lange Nase.
Er war so lebensecht gemacht,
daß es aussah, als würde ihm der Hut im nächsten Augenblick von einem Windstoß,
der gar nicht wehte, vom Kopf geblasen; und die Rockschöße und sein langer
gestreifter Schal schienen hinter ihm dreinzuflattern, getragen von einem nicht
vorhandenen Lufthauch.
Eine Weile standen sie da und
bewunderten ihn.
Ihre Beine waren jetzt nicht
mehr verkrampft, und man konnte sich wieder auf sie verlassen wie auf ganz
gewöhnliche Beine; es bestand kein Zweifel, daß sie eine Tagesstrecke bewältigen
würden.
Sie waren gerade erst
losgegangen, als sie das große Glück hatten, einen alten, verlassenen Garten zu
entdecken. Pidge hatte bei sich beschlossen, daß sie aufs Geratewohl dahingehen
würden, bis der Nebel sich auflöste, um sich dann für eine Richtung zu
entscheiden; aber jetzt dachte er, daß sie statt dessen genausogut in den
Garten schauen könnten, um vielleicht irgend etwas Eßbares für ihr Frühstück zu
finden.
Er lag gleich neben dem
Schuppen, der selbst früher einmal Teil der Gartenmauer gewesen war. Die Mauer
selbst war im Lauf der Zeit ziemlich verfallen, und so mußten sie, um
hineinzukommen, nur über ein paar Steine klettern.
Zuerst waren sie gar nicht
sicher, ob sie sich wirklich in einem Garten befanden, so dicht war er
überwuchert von Unkraut und Domgestrüpp. Hunderte von wilden Blumen, deren
Namen sie nicht kannten, deren Gesichter ihnen aber vertraut waren, blühten
überall; und zwischen ihnen der tröstliche Anblick von Löwenzahn und
Gänseblümchen — die im Schatten stehenden schliefen noch. Obwohl er die
Bedeutung dieser beiden Blumen nicht ganz verstand, wußte Pidge in dem
Augenblick, da er sie sah, daß es richtig gewesen war, in den Garten zu gehen.
Durch das wilde
Pflanzendurcheinander lief ein Netz von schmalen Pfaden, die die Tiere auf ihren
zahllosen kleinen Wanderungen getreten hatten; und als sie ihnen folgten,
entdeckten sie Johannisbeersträucher mit schwarzen Früchten, so groß wie
Kirschen, und süße rote Stachelbeeren, die an beinahe dornenlosen Sträuchern
wuchsen und nicht viel kleiner waren als Golfbälle. Nachdem ihre erste
natürliche Gier gestillt war, bewegten sie sich in gemächlichen Etappen durch
den einladenden Wirrwarr und folgten weiter den Spuren, die die Tiere gelegt
hatten. Sie füllten ihre Münder immerzu mit der üppigen Süße der saftigen
Früchte, und die Luft war erfüllt vom starken Duft zerdrückter Brombeerblätter.
Da sie den tiefen Abgrund
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