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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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ein Kaninchen zwischen den Zähnen, und
manchmal blieb sie sogar ein paar Tage lang weg, weil sie Freunde und Bekannte,
die weit entfernt wohnten, zu Hochzeiten oder Totenwachen besuchte.
    Mossie legte Holz nach, zündete
sich eine Pfeife an und machte sich’s mit einer alten Zeitung gemütlich,
während er wartete. Allmählich begann er jedoch unruhig auf seinem Stuhl
herumzurutschen, und er ertappte sich dabei, daß er wiederholt Seufzer ausstieß
und immer wieder denselben Absatz las, ohne den Sinn zu verstehen. Von Zeit zu
Zeit warf er einen Blick über seine Halbtür, um nachzusehen, ob irgendein
Lebenszeichen seiner Mieter festzustellen sei. Das Glashaus zog ihn nicht an,
weil die Frauen irgendeinen Trick anwandten, sondern weil er von solch
glücklichen Erwartungen erfüllt war.
    Als er dann zum zehnten Mal
dieselben Worte las, fiel ihm ein, daß die Frauen denken könnten, er schliefe
selbst noch, und sich nur deshalb ihre Kunst versagten, weil sie fürchteten,
ihn zu stören; denn er war bei allen seinen Verrichtungen sehr leise und
vorsichtig gewesen. Er hatte sogar Eimer in den Armen getragen, als seien sie
kleine Lämmchen, und sie an die Brust gedrückt, damit die Griffe nicht
klapperten; und er hatte seine Schritte behutsam gesetzt und nach weichen
Stellen gesucht, auf die er in seinen Nagelstiefeln treten konnte.
    Er ging in den Garten und
pflückte einen hübschen Blumenstrauß. Dann ging er zur Glashaustür und klopfte
an.
    Wütende Blicke huschten über
die Gesichter der drei Frauen. Melody rief mit süßer Stimme, aber mit Augen,
kalt wie Schneeregen:
    «Wer ist da?»
    «Meine Wenigkeit», sagte
Mossie. Er hatte das im Radio gehört, und er dachte, es klinge eindrucksvoll
und würde den Damen wie eine Art Kompliment vorkommen.
    «Darf man fragen, wer ‹Meine
Wenigkeit› ist?»
    «Ihr Vermieter und Freund —
Mossie Flynn.»
    Melody öffnete, trat hinaus und
zog die Tür hinter sich zu.
    «Ein Blumenstrauß für die
Künstlerinnen!» sagte Mossie feierlich, nahm die Mütze ab und reichte ihr die
Blumen.
    Es folgte eine ungläubige
Pause, bevor die Antwort kam.
    «Das haben wir uns schon immer
gewünscht — wir sind Ihnen außerordentlich verpflichtet», sagte Melody kalt und
mit einem Blick, mit dem man einen Hai in Filets hätte schneiden können.
    «Wann werden Sie herauskommen
und eines ihrer wunderbaren Kunstwerke schaffen?» fragte Mossie hoffnungsvoll.
    Melody roch heftig an den
Blumen. Im selben Augenblick schossen zweihundertneunundvierzig winzige Insekten
in ihre Nase und fanden den Tod. Sie nieste, und dabei fiel eine heiße Träne
herunter, die auf einem kleinen Wurm landete und ihm Kopfschmerzen verursachte.
    «Heute nicht», sagte sie. Sie
konnte nicht verhindern, daß sich ihre Oberlippe ein wenig kräuselte zu einem
unangenehmen Lächeln.
    «Heute nicht?» wiederholte
Mossie Flynn.
    «Nein. Heute haben wir frei»,
sagte sie, ging wieder hinein und schloß die Tür.
    Mossie stand einige Augenblicke
zweifelnd da und kehrte dann in sein Haus zurück. War sie wirklich so
unfreundlich, oder hab’ ich mir das nur eingebildet? fragte er sich
mißtrauisch. Hat sie tatsächlich höhnisch gegrinst?
    Wenn jemand auf dem
dünnbesiedelten Lande lebt, hat er nicht viel Gelegenheit, Dinge wie höhnisches
Lächeln zu studieren. Bei so wenig Leuten könnte das einzige höhnische Grinsen
einer Woche leicht am anderen Ende der Gemeinde stattfinden, so daß er es
versäumte, wenn er nicht dort war. Andererseits könnte es sogar sechs höhnische
Grinsen pro Stunde auf dem eine halbe Meile entfernten Nachbarhof geben, und er
hätte keine Gelegenheit, sie zu sehen. Denn eines ist sicher, Leute die gut
höhnisch grinsen können, verstehen es ausgezeichnet, freundlich zu lächeln,
wenn ein Besucher kommt.
    Mossie machte sich Sorgen, er
könnte ihnen Unrecht tun.
     
    Die Frauen wandten sich wieder
der Beobachtung des Tisches zu. Sie hatten ihn nur ein oder zwei Sekunden lang
betrachtet, als eine auffallende Veränderung mit ihnen vorging. Die Mórrígan
war wie jemand, der aus einem langen, langsamen Traum zu raschem Leben erwacht,
und Melody Mondlicht und Breda Ekelschön waren ernst und schweigsam.
    Mit größter Aufmerksamkeit
betrachteten sie den Tisch und studierten die drei Täler, die nichts als kleine
Vertiefungen in seiner Oberfläche waren, und die Berge, die kaum höher ragten
als das Wachs, das in wenigen Minuten von einer Kerze herabtröpfelt. Sie
stellten fest, daß die Täler ineinander

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