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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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übergingen, und bemerkten mit größtem
Interesse, daß das letzte Tal keinen Ausgang hatte. Dies war keine Falle, die
sie selbst gestellt hatten, das wußten sie nur zu gut; aber ob dieses letzte
Tal ein Teil der Landschaft war oder nur durch den Wunsch des Dagda existierte,
das konnten sie nicht sagen.
    Ihre Augen wurden unergründlich
und so ausdruckslos wie Echsenaugen.
    «Was haben wir hier?»
flüsterten sie.
    Dieses Flüstern war
eigentümlich durchdringend und stark und vibrierte in allen Scheiben des
Glashauses. Als beinahe lautloses Echo kam ein «hier, hier, hier» zitternd
zurück wie von zarten Stimmgabeln und schwebte um den Tisch.
    Breda und Melody beobachteten
das Gesicht der Mórrígan, und ihre Augen waren weit vor ungezügelter Erwartung.
Doch abgesehen davon waren sie unglaublich ruhig; drei versteinerte Frauen.
    Die Mórrígan gab den gierigen
Blick zurück, und sie warteten.
    Ein winziger blutroter Fleck
erschien in einem ihrer Augen.
    «Blut verlangt nach Blut»,
sagten sie und bebten.
    Sie wußten nun, daß die Kinder
den Kieselstein, der einst genau dieses Auge verletzte, schon beinahe gefunden
hatten. Sie wußten auch: Wenn die Mórrígan genau diesen Tropfen ihres alten
Blutes verschluckte, das den Kiesel gefärbt hatte, würde sie wieder ihre alte
Kraft gewinnen.
    Und zudem wußten sie: Wenn sie
auch Olc-Glas bekäme, wäre ihre Macht wahrhaft groß.
    Das Auge füllte sich mit Blut
und wurde ganz rot.
    «Ich bin die Mó Riagan», sagte
die Mórrígan, «ich bin die Große Königin. Ich stifte die Menschen zum Wahnsinn
des Kampfes an.»
    «Ich bin Macha», sagte Melody
Mondlicht. «Ich bin die Königin der Trugbilder. Ich schwelge unter den
Erschlagenen. Ich sammle Köpfe.»
    «Ich bin Bodbh», sagte Breda
Ekelschön. «Ich bin die Skaldenkrähe mit dem scharfen Schnabel. Meine Schreie
kündigen die Zahl der Toten an.»
    «Wir drei sind die Mórrígna;
wir sind die großen Königinnen», sagten sie.
    «Mein Herz ist ein Eisquell»,
sagte die Mórrígan. «Bald werde ich einen Tropfen meines alten, starken Blutes
wiederhaben. Damit werde ich Olc-Glas auflösen und in mein kaltes Herz
hinabschlingen. Sein Gift verbinde sich mit dem meinen.»
    «Ich werde dich küssen und zu
meinem Gift auch des seinen teilhaftig werden», sagte Macha. «Denn die Jahre
gingen dahin, und wir sind schwach geworden.»
    «Ich werde dich küssen und zu
meinem Gift auch des seinen teilhaftig werden», sagte Bodbh. «Denn ich liebe
den Krieg, und der Kampf ist meine Lust»
    «In jedes Menschen Kopf ist der
Same des Bösen», sagte die Mórrígan. «Bei manchen gedeiht er, und sie tun sich
hervor unter den anderen mit ihrer Bosheit und Grausamkeit Der kleine Same
verdirbt und kann nicht gedeihen, wenn die Liebe ihn erstickt.»
    «Der kleine Same kann nicht
gedeihen», sagte Macha, «wenn das Mitleid ihn erdrückt.»
    «Der kleine Same kann nicht
gedeihen», sagte Bodbh, «wenn die Großzügigkeit ihn zertritt»
    «Die Wahrheit wird durch den
Glauben genährt», sagte die Mórrígan. «Es gibt viele Wahrheiten. Ich bin eine
Wahrheit»
    «Ich bin eine Wahrheit», sagte
Macha.
    «Ich bin eine Wahrheit», sagte
Bodbh.
    «Sie werden wieder an uns
glauben. Sie werden unsere Größe sehen und uns fürchten. Man wird uns nähren,
und wir werden noch stärker werden», sagten sie.
    «Wenn die Menschheit ‹Gnade›
schreit, sind meine Ohren Muscheln aus Granit», sagte die Mórrígan. «Mein Kind
ist die Schmeißfliege, die Mutter der Larven.»
    «Die Zeit ist ein langsamer
Traum; Zeit ist Quecksilber», sagte Macha.
    «Die Sonne steigt, der Tag
dämmert herauf, das Rad dreht sich — unsere Zeit kommt wieder», sagte Bodbh.
    Es herrschte tiefe Stille, in
der nur das unaufdringliche Atmen der Katze zu hören war. Einen Augenblick
später war das Auge der Mórrígan wieder klar und schön. Der merkwürdige
Einklang war vorüber, und die drei Frauen schüttelten sich, wie Hunde Wasser
von sich abschütteln; und jetzt lachten sie auch.
    «Er hat den Kieselstein
gefunden; er hat das Natürlichste getan und ist zu den Bergen gegangen»,
sprudelte Breda hervor.
    «Nur ein Menschenbalg kann so
schauderhaft durchschaubar sein», kicherte Melody gerade, als ihr Blick von
einer Bewegung auf dem Tisch angezogen wurde.
    «Seht», sagte sie scharf und
deutete auf den Tisch.
    Sie sahen den willensstarken,
entschlossenen, scharfsinnigen Wachtmeister, der mit dem Fahrrad auf Shancreg
zufuhr.
    Wie lästig, sagten die Frauen
wortlos

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