Die Meute der Morrigan
Blutdruck!» rief er
und preßte die Hand auf die Brust über dem Herzen. Er wendete sein Fahrrad und
jagte ihnen nach.
Das Motorrad raste davon. Mit
bitterer Entrüstung sah er, wie es über eine Mauer setzte.
«Flugkunststücke... vor meinen
eigenen Augen... ich bin schließlich Wachtmeister!» knurrte er. «Und in ihrem
Alter! Diesmal entwischen sie mir nicht, diese Verkehrsrowdys!»
Als er an die Stelle gelangte,
wo das Motorrad über die Mauer gesprungen war, fand er Reifenspuren, die sich
in den Boden gegraben hatten.
«Beweisstück Nummer eins»,
sagte er sich im Geiste und stellte sich einen Gipsabdruck vor.
Er stieg ab und hob sein
Fahrrad über die Mauer. Jetzt stand er in einem Feld mit Steinsäulen.
Merkwürdig! Weit und breit nichts von den Frauen und ihrem Motorrad zu sehen
und zu hören. Er stieg wieder auf sein Fahrrad, fuhr langsam über das Feld und
folgte den Reifenspuren, die zu den Steinen führten. Er sah, daß sie ein Stück
weiter vorn unter dem Deckstein auf geheimnisvolle Weise zu verschwinden
schienen; aber er schloß, daß der Boden dort hart sein müsse und daß er die
Spuren später wieder finden werde.
Zu seinem größten Entsetzen
bekamen die Handgriffe seines Fahrrads ein Eigenleben und wanden sich unter
seinen Händen.
Sie versuchten, sich aus seinem
Griff zu befreien. Er kreischte, riß seine Hände hoch und brachte sie nervös
über seinem Kopf in Sicherheit, während er verschreckt die Handgriffe
anstarrte.
Sobald sie seinem Griff
entronnen waren, benahmen sie sich, als wären sie verhext. Sie peitschten auf
und nieder, schlugen hin und her, bogen sich zur Seite und schlangen sich dann
vorn umeinander, woraufhin sie erstarrten.
«Das ist das Delirium tremens»,
stöhnte der Wachtmeister mit heiserer Stimme.
Das Fahrrad fuhr unter dem
Steintor hindurch, und er merkte, daß dichter Nebel ihn umgab. Das Fahrrad
wurde schneller und sauste wie ein Pfeil dahin. Als er an den Kerzen vorbeikam,
machte er einen kläglichen Versuch, Autorität zu zeigen, indem er sagte:
«Erschreckend schlechte
Straßenbeleuchtung in dieser Gegend — ich werde mich bei der Gemeindeverwaltung
beschweren, wenn ich zurückkomme.» Aber er war den Tränen nahe.
Kurz darauf hörte er wieder das
Geräusch eines Motorrads irgendwo vor sich und wußte nun, daß er wenigstens auf
der richtigen Spur war. Das hob seine Stimmung augenblicklich.
Als die Frauen aus dem Nebel
auftauchten und Galway wie im Flug durchquerten, sah sie niemand, doch alle
spürten bittere Kälte.
Als der Wachtmeister aus dem
Nebel auftauchte und sein Fahrrad durch die Stadt sauste, bemerkte auch ihn
niemand, aber in seinem Kopf drehte sich alles, was er sah.
Die Frauen nahmen den Weg, den
Pidge und Brigit gegangen waren, als sie Cathbad, dem Druiden, folgten; und als
sie den See erreichten, warf die Mórrígan ein Wort auf das Wasser, von dem es
völlig überrascht wurde. Im Nu erstarrte es zu festem Eis.
Der Wachtmeister kam ein paar
Minuten später an. Was er auch anstellte, er konnte die Kontrolle über sein
Fahrrad nicht zurückgewinnen, und irgendeine Kraft hinderte ihn daran
abzuspringen. Das Rad fuhr aufs Eis und raste über den See.
«Ich sollte das Beste draus
machen», sagte sich der stoische Wachtmeister, und er stellte seine Stiefel auf
die jetzt festen Handgriffe und verschränkte die Hände im Nacken. Er begann zu
genießen, was da vor sich ging, und bewunderte allmählich seinen
Gleichgewichtssinn.
«Wenn ich nüchtern wäre, könnte
ich’s nicht», dachte er und lachte in sich hinein.
Das Fahrrad des Wachtmeisters
verließ den See schließlich und fuhr wie der Blitz über das Land westlich des
Lough Corrib. Er fühlte sich sehr glücklich und grinste töricht vor sich hin,
während er an eine seiner Lieblingsrosen dachte. Es war eigentlich nur eine
gewöhnliche Rose, gelb mit roten Blatträndern und kaum duftend. Aber sie war
immer einer seiner Lieblinge gewesen.
Nach einer Weile merkte die
Mórrígan, daß ihnen dauernd eine Gestalt folgte.
«Was ist das für ein kleines
dunkles Ding, das uns wie eine Chronik folgt?» fragte sie.
«Es ist der Arm des Gesetzes»,
sagte Breda.
«Vom Dagda geschickt»,
vermutete Melody in einer plötzlichen Eingebung.
«Was sollen wir mit ihm
anfangen?» spekulierte Breda.
«Darf er uns weiter folgen oder
sollen wir uns seiner annehmen... was ist das klügste?» überlegte Melody.
«Nehmen wir uns seiner an»,
entschied die Mórrígan.
Melody schloß die Augen
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