Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
Vom Netzwerk:
unaufhörlich weiterströmte. So viele Menschen und alle
so verschieden. Wer hat wohl diese Brücke gebaut, und wer war O’Brien? Seltsam,
daß ich es gar nicht weiß, dachte er. Und all diese Menschen! Wie oft bin ich
über diese Brücke gegangen und habe gedacht, das ist Galway, das ist meine
Stadt — so wie jeder. Und all diese Hunderte und Tausende von Menschen aus der
Vergangenheit dachten sicher das gleiche. Und was ist mit denen, die noch
kommen werden? Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß sie hier gehen und nicht
von uns wissen werden. Diese Stadt hat so vielen Menschen gehört
    Er sah sich die Gesichter der
Vorübergehenden genau an; alle waren verschieden, alle waren menschliche
Gesichter. Und er merkte plötzlich, daß sie alle auf ihre eigene Art schön
waren.
    Aber wo ist der Mann? Sind wir
irgendwann an ihm vorbeigegangen?
    Er wandte sich suchend um und
entdeckte, daß der Turm von St. Nikolaus keine Spitze hatte. Dann hörte er aus
der Ferne etwas, das wie dumpfer Kanonendonner klang, und sah Rauchwolken
aufsteigen. Seltsamerweise war die Turmspitze schon vor dem Kanonendonner
verschwunden gewesen, als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun.
    Plötzlich herrschten Aufruhr
und Verwirrung, Trompeten erklangen, und wieder donnerten die Kanonen, und die
Luft war schwer von Pulvergestank. Er hörte den langen, tiefen Pfeifton von
Kanonenkugeln, die den Himmel zerrissen und mit jenem schrecklichen Krachen
landeten, das Tod und Zerstörung bedeutete, Feuer und Leid. Die Stadt wurde
belagert
    Es dauerte nur einen kurzen
Augenblick; dann sahen sie den Mann am anderen Ende der Brücke, die jetzt
unerklärlicherweise aus Holz war anstatt aus Stein. Der Mann wandte sich nach
rechts, zur Nonneninsel.
    Sie hasteten ihm nach.
    Jetzt war alles wieder wie
immer, und sie sahen durch eine Fensterscheibe einen Mann in seinem Wohnzimmer
sitzen und die Zeitung lesen.
    In den meisten Häusern hatte
man schon Licht gemacht, weil es früh dämmerte. Die Sonne wurde zu einer
leuchtend roten Scheibe vor einem purpurfarbenen, drohenden Himmel.
    Sie ließen die Häuser hinter
sich und folgten dem Mann an hohen Mühlen und geheimnisvollen Gärten vorbei,
die hinter großen hölzernen Toren lagen.
    Zur Linken war eine hohe Mauer,
die sich in einem weiten Bogen dahinzog. Dort hätte die Kathedrale Unserer
Lieben Frau und des Heiligen Nikolaus stehen sollen, aber Pidge wußte, daß es
das alte Gefängnis war, das man abgerissen hatte, um für die Kirche Platz zu
schaffen.
    Der Mann wandte sich nach
rechts und ging über die Lachswehrbrücke. Brigit lief hin und schaute durch das
Geländer hinunter, und Pidge lief ihr nach und schaute auch hinunter. Tief
drunten lagen die Lachse dicht an dicht wie die Sardinen, stiegen in
übereinanderliegenden Schichten auf, strebten stromaufwärts, um alsbald über
das Wehr zu springen und zum See zu schwimmen.
    Pidge drängte Brigit zum
Weitergehen, und sie liefen über die Brücke und sahen den Mann, der hinter dem
alten Gerichtsgebäude auf sie gewartet hatte. Er wandte sich nach links und ging
am Ufer entlang.
    Wieder warf Pidge einen Blick
zurück und erwartete, daß er wegen der hohen Gebäude nicht weit würde sehen
können. Aber die Gebäude waren verschwunden, und in der Ferne ragte eine
ummauerte Stadt mit vierzehn Türmen auf. Er begriff nicht, wie er auf einen
Blick wissen konnte, daß es vierzehn waren, aber er wußte es. Während er
hinsah, schien die Stadt zu flimmern und zu verschwinden wie ein Traum, und
dann standen alle Gebäude wieder an ihrem gewohnten Platz.
    Der Mann war an einem kurzen hölzernen
Anlegesteg angekommen, blieb stehen und wartete, damit sie ihn einholen
konnten. Er wies sie mit einer Handbewegung zu einem kleinen Segelboot. Die
Kinder stiegen, einander an der Hand haltend, in das Boot
    Nachdem er die Vertäuung gelöst
hatte, stieg auch der Mann an Bord. Groß und stolz stand er am Heck und deutete
auf Sitze im Bug, und sofort kletterten die Kinder nach vom und setzten sich.
Dann machte der Mann einfach eine gebieterische Geste zum See hin, und das Boot
setzte sich von selbst in Bewegung. Die Segel blähten sich, und das Boot schoß
dahin, flußaufwärts auf den See zu.
    Der Himmel war jetzt dunkel und
drohend. Blitze peitschten feurig über den Himmel und versetzten den Wolken
knallende Hiebe, so daß sie wie eine Schafherde vor Hunden auseinanderstoben.
Dann schlugen sie auf beiden Seiten des Flusses giftig fauchend in die Erde
ein.
    Die Segel

Weitere Kostenlose Bücher