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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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noch andere Berge sehen kann, müßten das die
Zwölf Nadeln sein, überlegte er.
    Er versuchte, den Regendunst zu
durchdringen, indem er mit zusammengekniffenen Augen in eine Richtung starrte.
Wenn er nur die Umrisse der Twelve Pins am Horizont sehen könnte, würde er sie
bestimmt erkennen und leicht die Orientierung finden. Aber er konnte nichts
erkennen.
    Er wandte den Kopf, um Cathbad
zu fragen, aber der Druide war fort, und alles, was man noch sah, war der weiße
Fleck seines Segelbootes weit draußen auf der Wasserfläche. Er war so klein,
daß er ein Seevogel hätte sein können.
    «Was sollen wir jetzt machen?»
sagte er.
    Es blitzte wieder.
    «Es sind keine Hunde da; laß
uns wegrennen und uns unterstellen», sagte Brigit, und sie rannten los.
    Während sie dahinliefen, senkte
sich wieder die Finsternis herab wie eine schwere Sorgendecke, der Donner
krachte über den Himmel und schien Tempel und Moral zu stürzen und zu zermalmen
wie Sixpennystücke. Blitzstrahle zuckten wie lange, krumme Dolche aus weißem
Feuer dahin, als tobe sich ein wahnsinniger und böser Gott als Messerwerfer
aus.
    Das ist es, dachte Pidge. Es
ist also Magie und nicht Wirklichkeit, und wenn ein Blitz uns trifft, wäre er
wahrscheinlich nicht gefährlicher als eine Seifenblase.
    Trotzdem rannte er mit Brigit
weiter — für alle Fälle.
    Jetzt war die Schwärze noch
dichter, und sie mußten sich an das Licht der Blitze halten, um zu wissen,
wohin sie laufen sollten, wenn es wieder finster war. Sie sahen die niedrige
Begrenzungsmauer eines Feldes vor sich und liefen darauf zu, um
hinüberzuklettern. Als sie die Mauer gerade erreichten, umgab sie wieder
völlige Dunkelheit, und sie konnten die Steine kaum mehr sehen; aber sie
ertasteten sie mit den Händen und kletterten darüber.
    Da begann das Singen.
    Der Donner hörte auf, und sie
waren auf dem Feld und rannten weiter.
    Es waren Männer, die sangen;
ein Chor von Männerstimmen, die ein Lied von Tapferkeit und Mut sangen, stark
und kraftvoll.
    Die allerletzten Blitze zuckten
auf die Mauer am Rand des Feldes nieder.
    Von den Sängern war keine Spur
zu sehen; man sah nur, daß das Feld ein wenig uneben und buckelig war und daß
in seiner Mitte hohe Bäume einen natürlichen Schutz boten, deren Äste sich
wölbten und durchdrangen, als bildeten sie den Bauplan für das Dach einer
Kathedrale, so dicht, daß sie dunkel vor dem Himmel standen.
    Obwohl sie genau wußten, daß es
völlig verrückt und töricht war, sich bei einem Gewitter unter Bäume zu
flüchten, rannten Pidge und Brigit dorthin, um sich geschützt zu fühlen, und
obwohl Pidge dachte, es seien keine wirklichen Blitze, sondern Hexerei, hatte
er doch Angst
    Dankbar krochen sie in eine
Öffnung, die wie ein kleines Nest im Unterholz war, und setzten sich auf die
süß duftende, trockene Erde nieder.
    «Ich frage mich, wo wir sind»,
sagte Pidge.
    «Im Feld der Sieben und außer
Gefahr», antwortete eine Stimme.
    «Das klingt gut», meinte Brigit
    Ob das wirklich so ist? fragte
sich Pidge insgeheim.
    Es war eine Weile still, bis
ein schmaler Lichtstreifen am Himmel erschien, der nach kurzer Zeit größer
wurde und eine Flut von Helligkeit verbreitete; das Dunkel wich, und kleine,
tapfere Vögel nahmen ihre Plätze wieder ein und sangen.
    Und dann begannen die Stimmen
zu reden, als führten sie ein Gespräch miteinander:
    «Es ist gut einen Kopf zu
haben», sagte eine von ihnen, «er ist ein wahres Schatzkästchen.»
    «Ein Kopf ist wie die Erde»,
sagte eine andere, «je mehr man hineintut, desto mehr kommt heraus.»
    «Jeder Kopf ist ein Geheimnis»,
sagte eine dritte Stimme, «und jeder möchte ein Geheimnis lösen.»
    «In jedem Kopf liegt irgendwo
zusammengeringelt etwas Liebliches und Süßes», sagte eine vierte, «wer wollte
es nicht kosten?»
    «Jeder Kopf hat ein schlaues
Versteck in seinen kleinen Höhlen», sagte eine fünfte; «wer würde das nicht
gerne aufspüren?»
    «Ein Kopf birgt Geheimnisse wie
eine Schnecke», sagte eine sechste, «aber man kann sie nicht mit einer Nadel
herausholen.»
    «Jeder Kopf ist der Kopf eines
Künstlers», sagte die siebente und letzte Stimme, «weil er Schönheit sehen und
erfassen kann, und sei es nur ein einziges Mal im Leben.»
    Pidge und Brigit hatten gebannt
und voller Staunen zugehört Vor allem Brigit war fasziniert.
    «Das habe ich nicht gewußt über
Köpfe», sagte sie. «Ich dachte, sie wären nur unser oberes Ende, wie die Füße
unser unteres Ende sind. Köpfe sind

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