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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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Pidge.
    «Vielen, vielen Dank»,
flüsterte Brigit überschwenglich.
    «Keine Ursache», sagte der
Mann. «Und wenn ihr zufällig Weißdornblätter in der Tasche haben solltet,
behaltet sie darin.»
    «Mach ich.»
    Der Mann setzte wieder das
Megaphon an die Lippen und rief seine Aufforderung mit den Halbpenny- und
Pennystücken.
    Pidge faßte das als Zeichen
dafür auf, daß der Mann ihnen nichts mehr zu sagen habe. Er wandte sich ab und
schaute nach allen Seiten, ob er den Mann mit den Eichenblättern erspähen
konnte.
    Auf dem Bahnhof schien es
dunkler geworden; ja in manchen Ecken herrschte nahezu Finsternis. Er mußte
sehr genau hinsehen, um manche Dinge zu erkennen, vor allem jene, die an den
Wänden standen. Als er so ins Dunkle sah, fiel ihm ein bestimmter Gegenstand
auf.
    «Schau, Brigit, dort, der alte Schokoladenautomat!»
    «Wo denn?»
    «Gleich dort drüben.»
    Sie liefen hin. Es war
aufregend für sie, so etwas Seltsames und Altes zu sehen. Der Schlitz für die
Münzen war sehr groß, aber Pidge steckte trotzdem eine Münze hinein und zog an
einem Griff Ein Schokoladenriegel kam heraus. Er schien ihm viel größer und
dicker als die, die man in den Läden kaufen konnte.
    «Mach ihn auf, Brigit, ich
halte inzwischen nach dem Mann Ausschau. Wir könnten ihn leicht übersehen in
dieser Menschenmenge und Düsterkeit, weißt du.»
    Er sah sich um.
    «Das ist seltsam», sagte er.
    «Was?»
    Eine Lok stand im Bahnhof und
stieß Dampfwolken aus.
    «Dieser Zug da. Ich dachte,
eine Diesellok würde einfahren, aber nun ist es eine Dampflok.»
    Die Maschine stieß aus einem
Ventil an der Seite einen gewaltigen Dampfstrahl aus. Der Lärm, den er machte,
übertönte alle anderen Geräusche. Brigit steckte den Schokoladenriegel in ihre
andere Tasche und hielt sich mit den Händen die Ohren zu.
    «Toll!» schrie sie. «Wie ein
riesiger Riese. Mit der würde ich gern fahren. Und wie gern!»
    Pidge hörte sie nicht. Er
spähte überall nach dem Mann aus, dem sie folgen sollten.
    Ich wußte gar nicht, daß es
noch Dampfloks gibt und daß sie sogar noch eingesetzt werden, dachte er,
während er alles mit den Augen absuchte; und auch der Schokoladenautomat war
eine ziemliche Überraschung.
    Er bemerkte, daß sich der
Anstrich des Balkenwerks und der ganzen Bahnhofshalle verändert hatte. Auch die
Türen und Fenster des Wartesaals für Frauen, der Gepäckaufbewahrung, des Bahnhofsvorsteher-Büros
und des allgemeinen Wartesaals waren anders als vorher. Ja sogar die Leute
waren anders angezogen! Es müssen verschiedene Gruppen sein, und die eine
Gruppe ist weggefahren, vielleicht mit dem Dieselzug — während wir mit dem
einbeinigen Mann gesprochen haben? Und auch er ist verschwunden; erstaunlich
schnell und geschickt für einen Mann, der nur ein halbes Untergestell hat wie
er. Auch die Gepäckträger und der Schaffner sehen jetzt anders aus. Sie haben
alle andere Uniformen an und Westen, geschmückt mit Taschenuhrketten, und
Schnauzbärte. Und sie sehen so lieb und freundlich aus und irgendwie sehr
stolz. Vielleicht, weil sie mit dieser mächtigen Dampfeisenbahn arbeiten
dürfen? Und diese riesigen Reklameschilder, die hoch oben an die Wände genagelt
sind: «Fryls Chocolate» und «Guinness is good for You» und «Ah, Bisto» und
«Clarke’s Perfect Plug» — alle neu und glänzend. Sie sehen aus wie aus Emaille,
und ich bin ganz sicher, daß sie vorher nicht da waren.
    Während er über all das
nachdachte und sich wunderte, quoll noch immer Dampf aus der Lok und hüllte den
Bahnsteig in dicke Wolken; und als er wieder bewundernd zu ihr hinübersah,
tauchte ein Neuankömmling aus der Dampfwolke auf: ein großer Mann in dunklen
Kleidern mit einem formlosen, tief in die Stirn gezogenen Hut, der das Gesicht
verdeckte. Alles, was Pidge einen Augenblick lang erspähen konnte, war ein
Backenknochen, das Aufblitzen eines Auges, die Spitze einer kräftigen Nase.
Kleine Zweige mit Eichenblättern waren an seinem Mantelaufschlag befestigt.
    Brigit, die ihren Blick keinen
Moment von der Dampflok gewandt hatte, sagte:
    «Da ist dieser Mann.» Und da
das Zischen des Dampfes jetzt nachließ, konnte Pidge hören, was sie sagte.
    Der Mann ging zur Sperre, und
sie folgten ihm. Sie fragten sich beide, was sie tun sollten, wenn der
Kontrolleur ihre Fahrkarten verlangen würde. Der Mann ging einfach durch die
Sperre, ohne daß der Kontrolleur ihn bemerkte.
    «Komm», sagte Brigit und zog
Pidge hinter sich her. «Ich glaube, heute kostet es

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