Die Meute
sie. »Geht jetzt bitte nach oben.«
»Aber Mammy«, protestierte Josh.
»Geht!« Die Kinder gehorchten und verließen die Küche.
Nachdem sie den rechten Arm versorgt hatte, suchte Diane methodisch nach anderen Wunden. Sie waren zahlreich. Diane zerriß das zweite Hemd und verband die noch blutenden Stellen. Nach einiger Zeit bemerkte sie, daß Larrys rechter Arm sich weißlichrosa verfärbt hatte. Das unbeschädigte Gewebe war nicht genug durchblutet. Vorsichtig lockerte sie die Bandagen, wobei sie genau darauf achtete, daß die Blutungen nicht wieder begannen. Der Arm nahm wieder etwas von seiner natürlichen Farbe an.
Es blieb noch so viel zu tun. Sie mußte ihn aus seinem Schockzustand holen und glaubte auch, die einfachen Regeln dafür zu kennen. Den Kopf hoch lagern, die
Füße tief. Oder umgekehrt? Unsicher geworden, machte sie sich ihre eigenen Regeln. Seinen rechten Arm bettete sie auf zwei dicke Kissen von der Wohnzimmercouch. Je höher er lagerte, desto weniger Blut würde er verlieren, war ihre Überlegung. Dann steckte sie zwei weitere Kissen unter seine Beine und eines unter seinen Kopf. So hoffte sie, den Blutzufluß zum Herz zu verstärken. Dann deckte sie ihn mit zwei Decken zu. Wärme war wichtig, das wußte sie.
Doch je mehr sie sich auch mühte, desto offenkundiger wurde, daß Larry ohne ärztliche Hilfe nicht mehr lange zu leben hatte. Der Blutverlust war sehr groß. Auch wenn Larry bald behandelt wurde, würde sein rechter Arm vielleicht nicht mehr zu retten sein, so schlimm sah er aus. Erstaunlicherweise schockierte sie diese Erkenntnis nicht, machte sie nicht hysterisch. Darüber war sie hinaus und hatte auch gar keine Zeit dafür. Er brauchte Hilfe, oder er würde sterben. Und bis das eine oder das andere eintrat, würde sie an seiner Seite ausharren und für ihn tun, was sie konnte.
Frieda blickte ab und zu durchs Fenster hinaus. Die Hunde liefen unruhig, aber ziellos herum.
Der graue Schäferhund war mehr erschöpft als verletzt. In einigem Abstand von der Meute saß er beim Haus und wartete darauf, ob sich der Feind wieder zeigen würde.
Er war hungrig. An Fressen hatte er nicht gedacht, während er vor dem Haus auf seinem Posten gestanden hatte. Aber die Anstrengung der vergangenen zehn Minuten hatten ihn schwach vor Hunger gemacht. Er wühlte die Schnauze in den zertrampelten Schnee und holte ein Stück des bisher verschmähten, jetzt wieder gefrorenen Fleisches hervor. Er legte die Vorderpfoten darauf und schlang die Stücke hinunter, die er losbeißen kannte.
Der Irishsetter gesellte sich schnüffelnd zu ihm. Wenn das Leittier verletzt war, wenn es nicht länger führen konnte, dann mußte das schnell bekannt werden. Ohne einen starken, fähigen Führer konnte die Meute nicht überleben.
Der Schäferhund erlaubte, daß der Setter sich näherte. Erst als er seine Mahlzeit beendet hatte, ließ er ein kehliges, drohendes Knurren hören.
Der Setter reagierte nicht. Das Knurren allein war ohne Bedeutung. Die Meute mußte sehen, daß ihr Leittier noch kämpfen konnte.
Der Schäferhund war bereit. Er spreizte die Vorderbeine und bleckte wild knurrend die Zähne. Bevor der Setter zurückweichen konnte, schnappte der Schäferhund nach ihm. Seine Führungsposition würde er sich nicht entreißen lassen.
Minutenlang kämpfte sich Kenny durch die gischtsprühenden Wogen. Dann hatte er Len erreicht. Hirschfeld war noch am Leben. Eine Luftblase unter der Bootsjacke hatte ihn an der Oberfläche gehalten. Kenny packte Hirschfeld am Kragen und hoffte, daß er sich nicht an ihn klammern würde. Len wehrte sich zunächst schwach, schien aber dann begriffen zu haben. »Kannst du schwimmen ?« rief Kenny.
»Mein Bein«, stöhnte Hirschfeld. »Mein Bein!« Wortlos begann Kenny, ihn zum Bootsrumpf zu ziehen. Len war schon zu lange im kalten Wasser gewesen. Mit letzter Kraft schaffte er es, doch war er jetzt zu erschöpft, um den übergewichtigen Hirschfeld auf das gekenterte Boot zu hieven. »Kriech rauf!« schrie er. »Hilf mir«, bat Hirschfeld. »Hilf mir, Kenny.« Kenny schob ihn längs an den Bootsrumpf. Dann ließ er ihn für einen Moment los und versuchte, hinaufzuklettern. Im nächsten Augenblick hatten die Wellen Hirschfeld davongespült. Ohne zu zögern, tauchte Kenny ihm nach. Blind tappte er in dem undurchsichtigen Wasser um sich, um Hirschfeld zu finden. Noch als ihm die Lungen zu bersten drohten, arbeitete er mit Händen und Füßen, um seinen Freund zu retten. Gerade, als
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