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Die Meute

Die Meute

Titel: Die Meute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fisher
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an dem Kabel entlang. Seine Methode bewährte sich gut. Sein Hals schmerzte, und manchmal ließ er den Kopf nach hinten hängen. Aber dann war der Blutandrang dort zu groß, machte ihn fast schwindelig, und so ruhte er sich immer nur für ganz kurze Zeit aus. Einen Angsthasen hatte ihn Kenny genannt. Das konnte er jetzt nicht mehr. Jetzt hatte sich Kenny als Versager entpuppt.
    Die Hunde wurden ruhiger, je mehr er sich der Mitte des Hofes näherte. Dann hörte er nur noch das leise Winseln des grauen Schäferhunds. Larry verrenkte sich fast den Kopf, um nach unten zu sehen. Zum erstenmal bemerkte er, daß der Schäferhund ungeduldig direkt unter ihm wartete.
    Ihre Blicke trafen sich. Larry starrte in die wachen schwarzen Augen des Tieres und spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Der Schäferhund winselte. Komm herunter, hörte ihn Larry sagen – komm herunter.
    Larry lachte ein wenig in sich hinein. Bald würde er das Auto erreicht haben. Und dann würde er den Hund töten.
    Es war schwer, sich vorzustellen, daß ein so schönes Tier ihn so tödlich bedrohen konnte. Der beste Freund des Menschen konnte ein Mörder sein. Er arbeitete sich wieder weiter voran.
    Der Hund folgte ihm.
    Larry wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Handflächen brannten. Der Hals tat ihm weh. Durch sein bandagiertes Bein stach pulsierender Schmerz. Seine Lider juckten. Und er war erschöpft.
    Als der Schäferhund bellte, lief ein Schauder durch Larrys Körper.
    Noch nicht, du Bastard, dachte er. Ich bin noch nicht am Ende. Er biß die Zähne zusammen und arbeitete sich weiter voran. Erschöpfung legte sich lähmend auf ihn, und seine Bewegungen wurden langsamer.
    Larry war noch drei Meter vom Zaun entfernt, als der Schäferhund zum erstenmal sprang. Es sah nicht so aus, als erwartete er, den Feind zu erreichen. Eher wirkte es wie ein zielloser Ausbruch angestauter Energie.
    Hinter ihm begann die Meute unruhig zu werden. Die Hunde spürten, daß das Warten zu Ende war.
    Larry schaute nicht mehr nach unten, doch war das auch gar nicht nötig. Der Hund war da. Für den Rest seines Lebens würde der Hund immer da sein.
    Der Schäferhund begriff, daß sein Feind müde wurde, daß er dem hölzernen Zaun immer langsamer näher kam. Oft mußte er warten, wenn sein Feind bewegungslos über ihm verharrte. So nahe. So unerreichbar. Sein Winseln wurde drängender, als spürte er, daß die Konfrontation unmittelbar bevorstand. Speichel flog in Flocken von seinem Maul. Er konnte seinen Feind schon schmecken.
    Das Auto war nicht mehr weit. An den Seiten, wo der Schnee schon geschmolzen war, sah Larry schwarze Stellen. Sobald er beim Wagen war, mußte alles blitzschnell gehen. Er mußte die beiden Stricke und den Gürtel lösen und ins Auto springen, ehe die Hunde begriffen, daß sie über den Steg zu ihm konnten. Sowie er den Fuß auf das Dach oder noch besser auf die Motorhaube gesetzt hatte, mußte er in den Schnee hinunter. Auf den Boden – wo die Hunde waren. Es gab keine Alternative.
    Sobald er im Auto war, hatte er eine Waffe gegen sie. Eine Waffe? Einen Panzer. In Grund und Boden würde er sie fahren. Vor allem den Schäferhund. Das graue Ungeheuer mußte sterben. Nach all den Verbrechen, die es begangen hatte, durfte es nicht mehr leben. Wenn es heute nicht starb, dann mußte er auf die Insel zurückkehren, bis er es endlich erlegt hatte. Solange der Schäferhund nicht tot war, konnte Larry niemals in Frieden leben.
    Der Hund sah zu, wie er dem Zaun immer näher kam. Bald würde er angreifen müssen. Sprungbereit lauerte er.
    Zwei Meter vom Zaun entfernt, wußte Larry – er würde es schaffen.
    Und jetzt machte der Hund den ersten gezielten Sprung. Plötzlich und mit geballter Kraft schnellte er sich los, schoß über einen Meter hoch in die Luft.
    Larry merkte gar nicht, daß der Hund gesprungen war, bis er wieder in den Schnee zurückfiel. Sofort bemühte sich der Schäferhund, sein Gleichgewicht wiederzugewinnen, und sprang von neuem hoch. Diesmal kam er Larry näher, doch fehlten noch zwei oder drei Handbreit. Das Tier fiel zurück, sprang noch einmal. Und noch einmal.
    Bald schien er zu merken, daß er sein Ziel nicht erreichen würde. Seine Kraft ließ nach, seine Sprünge wurden kürzer.
    Der Setter und der Boxer wollten ihrem Leittier zu Hilfe kommen. Doch die Dogge stellte sich ihnen in den Weg. Sie hatte verstanden, daß der Schäferhund seinen Feind allein besiegen mußte. Sonst würde er die Meute verlieren.
    Thomas

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