Die Mglichkeit einer Insel
weiße Pulver mit einem Zug sniffte, wußte ich, daß mir das Bild dieses kleinen unschuldigen, amoralischen Wesens, das weder gut noch schlecht, sondern nur auf der Suche nach einer guten Dosis Lust und Erregung war, für immer im Gedächtnis bleiben würde. Plötzlich mußte ich wieder daran zurückdenken, wie der Professor die Italienerin beschrieben hatte: eine hübsche Anordnung von Partikeln, eine glatte Oberfläche, ohne Individualität, deren Verschwinden keinerlei Bedeutung hatte … Darin war ich also verliebt gewesen, das war mein ganzer Lebensinhalt gewesen und war es noch — was viel schlimmer war. Sie sprang auf, öffnete die Tür — die Musik war noch viel lauter zu hören — und ging wieder zu den anderen. Ich stand unwillkürlich auf und folgte ihr; als ich in den großen Raum kam, in dem das Fest stattfand, tanzte sie schon. Ich begann in ihrer Nähe zu tanzen, aber sie schien mich nicht zu sehen, ihr Haar wirbelte ihr ums Gesicht, ihre Bluse war völlig schweißgetränkt, ihre Brustwarzen zeichneten sich unter dem Stoff ab, der beat wurde immer schneller — wenigstens 160 bpm —, und ich hatte immer größere Mühe, ihm zu folgen, wir wurden kurz von einer Gruppe von drei jungen Männern getrennt, und dann tanzten wir Rücken an Rücken, ich preßte meinen Hintern an ihren, zur Antwort bewegte sie ihn rasch, unsere Ärsche rieben sich immer stärker aneinander, dann drehte sie sich um und erkannte mich. »Hola, Daniel… « , sagte sie lächelnd zu mir, ehe sie wieder zu tanzen begann, und dann wurden wir wieder von einer anderen Gruppe junger Männer getrennt, und ich fühlte mich auf einmal furchtbar müde. Kurz vorm Umfallen, setzte mich auf ein Sofa und schenkte mir ein Glas Whisky ein, aber das war keine gute Idee, denn mir wurde schlagartig übel, doch die Badezimmertür war abgeschlossen, und ich hämmerte mehrmals dagegen und sagte dabei: »I’m sick! l'm sick!«, bis mir schließlich eine junge Frau die Tür öffnete. Sie hatte sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen und schloß wieder hinter mir ab, ehe sie in die Badewanne zurückkehrte, wo zwei Typen auf sie warteten, sie kniete sich hin, und einer der beiden schob ihr sogleich seinen Schwanz rein, während der andere in Stellung ging, um sich einen blasen zu lassen. Ich rannte zur Kloschüssel, steckte mir einen Finger in den Hals und übergab mich lange und schmerzhaft, bis es mir etwas besser ging, dann kehrte ich ins Schlafzimmer zurück und legte mich hin, dort befand sich jetzt nur noch die Dunkelhaarige, die mich kurz zuvor zurückgewiesen hatte, sie hatte noch immer den Rock bis zur Taille hochgeschoben und schlief friedlich. Plötzlich wurde ich furchtbar traurig, ohne daß ich dagegen ankam, stand wieder auf, machte mich auf die Suche nach Esther und klammerte mich ohne die geringste Scham buchstäblich an sie, hielt sie an den Hüften fest und flehte sie an, mit mir zu reden, immer wieder mit mir zu reden, bei mir zu bleiben, mich nicht allein zu lassen, bis sie sich mit zunehmender Ungeduld von mir befreite und zu ihren Freunden ging, doch ich ließ nicht locker, nahm sie in die Arme, und sie stieß mich erneut zurück, und ich sah, wie die Gesichter ringsum mich herum verschlossener wurden, vermutlich redeten die anderen auch auf mich ein, aber ich verstand nichts, der Lärm der Bässe übertönte alles. Schließlich hörte ich, wie sie mit eindringlicher Stimme sagte: »Please, Daniel, please… It's a party!«, aber es half alles nichts, das Gefühl, daß sie mich im Stich gelassen hatte, wurde immer stärker, überwältigte mich, ich legte ihr wieder den Kopf auf die Schulter, doch da stieß sie mich mit beiden Armen heftig zurück und schrie: »Stop that!«, jetzt sah sie wirklich wütend aus, mehrere Leute rings um uns hatten aufgehört zu tanzen, ich wandte mich ab, kehrte wieder in das Schlafzimmer zurück, rollte mich auf dem Boden zusammen, vergrub den Kopf in den Händen und begann zum erstenmal seit mindestens zwanzig Jahren zu weinen.
Das Fest ging den ganzen Tag weiter, gegen fünf Uhr nachmittags kam Pablo mit Schokoladenhörnchen und Croissants zurück, ich nahm einen Croissant und tunkte ihn in ein Schälchen Milchkaffee, die Musik war ruhiger geworden, es war eine ziemlich melodische, ruhige Art von Chill-out, mehrere Mädchen tanzten und bewegten dabei langsam die Arme wie große Flügel. Esther war nur ein paar Meter von mir entfernt, doch sie schenkte mir keinerlei Aufmerksamkeit, als ich
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