Die Mglichkeit einer Insel
nehme an, daß sie theoretische Diskussionen darüber ein wenig spießig fand, ehrlich gesagt, erging es mir ähnlich — wenn auch aus anderen Gründen, die eher mit einer allgemeinen Abneigung gegen theoretische Diskussionen zu tun hatten, so daß es mir immer schwerer fiel, daran teilzunehmen oder auch nur Interesse dafür zu heucheln. Eigentlich hätte ich ein paar Einwände machen müssen, zum Beispiel, daß nicht besitzergreifende Liebe nur dann vorstellbar ist, wenn man selbst in einer geradezu paradiesischen Atmosphäre lebt, in der es keine Angst mehr gibt, insbesondere keine Angst mehr vorm Verlassenwerden und vorm Tod, und daß diese Form der Liebe unter anderem zumindest die Ewigkeit voraussetzt, kurz gesagt, die Bedingungen dafür waren nicht gegeben; ein paar Jahre zuvor hätte ich sicherlich argumentiert, doch jetzt hatte ich nicht mehr die Kraft dazu, aber das machte nichts, denn Patrick war leicht betrunken, hörte sich selbst gern reden, der Fisch war frisch, und wir verbrachten, wie man so schön sagt, einen netten Abend, ich versprach, nach Lanzarote zu kommen, und Patrick versicherte mir mit einer ausladenden Geste, daß ich als VIP natürlich wieder bevorzugt behandelt würde, und zwar auf ganz außergewöhnliche Weise; Esther wußte nicht so recht, es könne sein, daß es genau in die Examenszeit falle. Als wir aufbrachen, schüttelte ich Robert lange die Hand, und er murmelte etwas, was ich nicht verstand; trotz der lauen Temperatur zitterte er leicht. Er tat mir ein wenig leid, dieser alte Materialist mit den vom Kummer gezeichneten Zügen und dem über Nacht weiß gewordenen Haar. Er würde wahrscheinlich nur noch ein paar Monate, vielleicht ein paar Wochen leben. Wer würde ihm nachtrauern? Kaum jemand; vermutlich Harry, der nun auf die angenehmen Diskussionen in fest abgesteckten Grenzen mit einem Gesprächspartner verzichten mußte, der ihm bis zu einem gewissen Grad widersprach. Da wurde mir klar, daß Harry den Tod seiner Frau wohl leichter ertragen würde als Robert; er konnte sich vorstellen, wie Hildegard umgeben von den Engeln des Herrn Harfe spielte oder, etwas abstrakter und höher gegriffen, wie sie in einem topologischen Winkel des Punktes Omega hockte oder irgend so etwas; für Robert den Belgier war die Situation aussichtslos.
»What are you thinking?« fragte Esther, als wir das Haus betraten. »Sad things … «, erwiderte ich nachdenklich. Sie nickte, blickte mich ernst an und merkte, daß ich wirklich traurig war. »Don't worry … «, sagte sie; dann kniete sie nieder, um mir einen zu blasen. Sie hatte eine ausgefeilte Technik, die bestimmt von Pornofilmen inspiriert war — das sah man sofort, denn sie warf mit einer Geste, die man schnell in diesen Filmen lernt, ihr Haar in den Nacken, damit der Mann, denn eine Kamera war ja nicht da, sie bei ihrem Werk betrachten konnte. Die Fellatio war schon immer die Glanznummer der Pornofilme gewesen, die einzige Figur, die jungen Mädchen als nützliches Vorbild dienen konnte; und auch die einzige, in der man manchmal die wirkliche Emotion des Akts wiederfindet, weil sie die einzige ist, bei der die Großaufnahme zugleich eine Großaufnahme des Gesichts der Frau ist und bei der man ihren Zügen den freudigen Stolz und das kindliche Entzücken ansehen kann, das sie empfindet, wenn sie einen Mann zu höchster Lust bringt. Tatsächlich erzählte mir Esther hinterher, daß sie sich während ihrer ersten sexuellen Beziehung geweigert habe, dem Typen diesen Liebesdienst zu erweisen, und daß sie sich erst zu diesem Akt entschlossen habe, nachdem sie ziemlich viele Filme gesehen hatte. Auf jeden Fall machte sie jetzt ihre Sache sehr gut, freute sich über ihre Kunstfertigkeit, und ich zögerte später nie, sie um eine Lutschpartie zu bitten, selbst wenn ich den Eindruck hatte, daß sie zu müde oder nicht ausreichend in Form war, um zu vögeln. Kurz vor der Ejakulation zog sie den Kopf leicht zurück, damit ihr der Samenstrahl ins Gesicht oder in den Mund spritzte, aber anschließend machte sie sich wieder ans Werk und leckte den Samen gewissenhaft bis zum letzten Tropfen ab. Wie viele bildschöne Mädchen war sie, was Ernährung angeht, zunächst etwas zimperlich und empfindlich gewesen und hatte nur widerwillig den Samen hinuntergeschluckt; aber die Erfahrung hatte ihr eindeutig gezeigt, daß sie sich damit abfinden mußte und daß Männer das Schlucken des Samens weder als etwas Nebensächliches noch als eine Art Extra betrachteten,
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