Die Milliarden-Verschwender - wie Beamte, Bürokraten und Behörden unsere Steuergelder zum Fenster hinauswerfen
bei meiner Vereidigung zum ehrenamtlichen Finanzrichter mit auf den Weg gegeben hatte: »Herr Däke, wir sprechen hier kein Recht. Wir machen Urteile.« Ich hatte das zunächst nicht verstanden. Aber im Laufe der Jahre als ehrenamtlicher Richter begriff ich, was er damit gemeint hatte. Die Richter haben sich bei der Urteilsfindung an die geltenden Gesetze zu halten, selbst dann, wenn sie den Sinn eines Gesetzes nicht nachvollziehen können. Allerdings habe ich aus meiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Finanzrichter auch gelernt, dass es unter den Finanzrichtern nicht nur Fiskalisten gibt – also solche Richter, die ausschließlich das Wohl des Staates und dessen Steuereinnahmen im Auge haben oder die sich als Verteidiger von Entscheidungen der Finanzämter verstehen. Auch die Richter müssen über die Ungereimtheiten des Steuerrechts und dessen Widersprüchlichkeiten hinwegsehen, so schwer es ihnen manchmal fällt. Wir haben oft stundenlang um ein Urteil gerungen, vor allem wenn es um die Anwendung von steuerlichen Bestimmungen auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ging. Und nicht immer waren alle fünf Mitglieder eines Finanzgerichtssenates, drei hauptberufliche und zwei ehrenamtliche Richter, mit dem beschlossenen Urteil in dem Sinne zufrieden, dass es dem Rechtsfrieden dienen könnte. Wir machten eben Urteile und sprachen kein Recht, wozu die teilweise außerordentlich widersprüchlichen und unverständlichen Steuergesetze erheblich beitrugen und immer noch beitragen.
Die Komplexität und Unverständlichkeit der Steuergesetze betrachten viele als ein Übel, das nicht zuletzt selbst unnötige Kosten und damit Verschwendung verursacht. In der Zeit zwischen 1994 und 2003 schrieb sogar die Politik sich diese Einsicht auf die Fahnen und beauftragte verschiedene Kommissionen, Vorschläge für eine grundlegende Steuerreform auszuarbeiten. Steuerexperten wie Peter Bareis (1994), Gunnar Uldall (1996), Manfred Rose (2000), Paul Kirchhof (2001) und Friedrich Merz (2003) legten Modelle zur Reform insbesondere der Einkommen- und Lohnsteuer vor. Ziel war es, die Steuer durchgreifend zu vereinfachen und von allem Ballast zu befreien, der sich im Lauf der Jahre durch viele Ausnahmetatbestände und Steuervergünstigungen angesammelt hatte. Außerdem war der Steuertarif nicht mehr nachzuvollziehen und völlig unverständlich. Besonders bekannt wurde in diesem Zusammenhang ein Vorschlag, der am Ende fälschlicherweise als »Steuerreform auf dem Bierdeckel« oder auch als »Steuererklärung auf dem Bierdeckel« in die Diskussion einging. Er stammte von Friedrich Merz, der einen sogenannten Stufentarif vorschlug, bei dem die Steuer je nach zu versteuerndem Einkommen in Sätze von 12, 24 und 36 Prozent gestaffelt sein sollte. Auf diese Weise, so führte Merz damals aus, wäre es jedem Steuerzahler möglich, nach einer Lohn- oder Gehaltserhöhung die zukünftig zu zahlende Steuer auf einem Bierdeckel auszurechnen.
Der Gegenspieler zur Steuermoral ist die Besteuerungsmoral. Sie bezeichnet die Einstellung der staatlichen Organe zu denjenigen, von denen Steuern erhoben werden sollen. Inwieweit der steuerzahlende Bürger den Eindruck hat, dass es bei der Besteuerung gerecht und maßvoll zugeht, inwieweit er vom Sinn von Steuern überzeugt ist und inwieweit er darauf vertraut, dass die politisch Handelnden sparsam und wirtschaftlich mit den Steuern umgehen, hängt wesentlich auch von der Haltung derjenigen ab, die das Geld einnehmen und wieder ausgeben. In der Theorie ist die Sache klar: Der Steuerzahler weiß, dass er etwas zu der Gemeinschaft beiträgt, in der er lebt. Seine Steuern sind nicht bloß ein notwendiges Übel, sondern kommen ihm selbst zugute: Er ist froh über den tadellosen Zustand deutscher Straßen, seine Kinder gehen in staatliche Kindergärten und Schulen, die eine ordentliche Bildung versprechen, und auch die Konzert- oder Theaterkarte zu einem vernünftigen Preis weiß er zu schätzen – kurz: Wir alle erfreuen uns täglich an blühenden Landschaften, und dafür zahlen wir gerne unsere Steuern. Auf der anderen Seite steht der Politiker als Repräsentant des Volkes. Er nimmt seine Bürger ernst, hört ihnen aufmerksam zu und verfolgt sorgsam die ihm anvertrauten Aufgaben.
Was die Politik sagt und was sie tut, das sind jedoch bekanntermaßen zweierlei Dinge. Auch Politiker prangern in ihren Reden hin und wieder eben jene Missstände an, für deren Beseitigung sie verantwortlich sind. In solchen Reden geben sie sich
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