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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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ja.«
    »Wie kommt es dann, dass Sie es verloren haben?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    »Wirklich? Ich empfehle Ihnen, dennoch Worte dafür zu finden. Außerdem empfehle ich Ihnen, sich dabei streng an die Wahrheit zu halten. Ansonsten treibt heute Nacht ein namenloses Opfer mehr den Tiber hinunter.« Edgar legte die Stirn in Falten. »Haben Sie verstanden?«
    Spandrel nickte. Und ob er verstanden hatte. Nur zu gut.
    Als Spandrel endete, dämmerte es draußen. Vor vierundzwanzig Stunden hatte er genau um die gleiche Zeit an derselben Stelle in Edgars Büro gesessen. Doch ansonsten hatte sich seitdem alles geändert. Er hatte nichts mehr, was er verkaufen, nichts, wovon er träumen konnte. Nicht einmal Lügen waren ihm geblieben. Aber er empfand merkwürdigerweise eine stille Dankbarkeit.
    »Die Beichte bei einem Priester ist für einen wahren Gläubigen ein Mittel zur Vergebung, Mr. Spandrel«, sagte Edgar nach einer langen Schweigepause. »Wie schade für Sie, dass ich kein Priester bin.«
    »Ich habe Ihnen gegeben, worum Sie mich gebeten haben: die Wahrheit.«
    »Das glaube ich Ihnen. Aber auf die Wahrheit kam es mir gar nicht so sehr an. Genauso wenig will ich sie dem König überbringen. Das Grüne Buch ist also eskortiert von der Schweizer Garde auf dem Weg in die Toskana. Und Verrat ist sogar im Quirinalspalast gang und gäbe. Kardinal Bortolazzi ist ein guter Freund des Bischofs von Osimo, den viele für den nächsten Papst halten. Wenn der König solchen Leuten nicht trauen kann...« Edgar seufzte. »Manche Wahrheiten sollte der König besser nicht erfahren.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Was nützt mir jetzt Mitgefühl?«
    »Wahrscheinlich nichts.«
    »Schön, dass Sie das verstehen.«
    »Aber...«
    »Was wird aus Ihnen? Ist das die Frage, die Ihnen auf der Zunge liegt?«
    »Ja. «
    »Was wird aus uns allen?« Edgar schlug gereizt mit der Faust auf die Dokumente vor sich, dann stand er auf und stellte sich vors Fenster. Nachdenklich starrte er in die hereinbrechende Dunkelheit hinaus, ehe er sich schließlich wieder zu Spandrel umdrehte. »Sie haben Glück, Mr. Spandrel.«
    »Wirklich?«
    »Ich habe ein Angebot für Sie.«
    »Was für eines?«
    »Gehen Sie zum König und sagen Sie ihm, dass Sie das Grüne Buch nie hatten. Sagen Sie, Sie seien ein untreuer Sekretär der South Sea Company und hätten aus den Wissensfetzen, die Sie dank Ihrer Tätigkeit aufgeschnappt hätten, Profit schlagen wollen. Sagen Sie ihm, das Buch sei Ihres Wissens bei Mr. Knights Verhaftung in Brabant konfisziert worden und befinde sich seitdem in Händen der Minister des Kurfürsten.«
    »Aber das... ist doch nicht die...!«
    »Die Wahrheit? Nein, nicht unbedingt. Aber es ist eine Version der Vorfälle, die mich wie einen Narren dastehen lassen und Sie wie einen noch verächtlicheren Schurken, als Sie in Wirklichkeit sind. Aber sie wird den König lediglich enttäuschen, nicht zerstören. Und das ist das Höchste, das ich in dieser leidigen Angelegenheit erhoffen kann. Auf Sie wartet dazu eine Belohnung.« Ein grimmiges Lächeln huschte über Edgars Lippen. »Ihr Überleben.«
    »Sie... lassen mich gehen?«
    »Nicht ganz. Ich werde dem König empfehlen, Sie zu verschonen. Und danach schicke ich Sie weg. Am Mittwoch läuft ein Schiff von Civitä Vecchia aus. Der Eigner ist ein Freund von uns. Ein wahrer Freund. Sie werden an Bord sein. Das Schiff segelt nach Brest. Dort wird man Sie an Land setzen. Was Sie dann tun - solange Sie nie wieder nach Rom zurückkehren -, geht mich nichts an.«
    »Und wenn ich mich weigere... ihm dieses Märchen zu erzählen?«
    Edgar zuckte die Schultern. »Wartet der Tiber.«
    »Ich hatte gehofft, in die... Toskana zu fahren.«
    »Schmieden Sie sich eine andere Hoffnung.«
    »Kann ich nicht...«
    »Nein.« Edgar sah ihm unverwandt in die Augen. »Sie können nicht.«
    »Ich habe keine Wahl, als anzunehmen?«
    »Keine vernünftige Wahl, jedenfalls.«
    »Dann...«
    »Nehmen Sie an?«
    Brest oder Neapel - wo lag der Unterschied? Was gewann er schon, wenn er Estelle aufspürte? Er würde sie ja ohnehin wieder verlieren. Selbst die Wahrheit war jetzt nichts mehr wert. Er hatte keine Wahl, vielleicht hatte er nie eine gehabt. Er hatte keine Hoffnung. Aber er hatte sein Leben.
    »Mr. Spandrel?«
    Spandrel nickte. »Ich nehme an.«

ZWISCHENSPIEL
April 1721 - März 1722

28 Mittel und Wege
    Anfang April 1721 fügte sich der Earl of Sunderland dem scheinbar Unvermeidlichen und gab seinen Titel als Schatzkanzler

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