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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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hatten sie schlichtweg Glück gehabt? Was davon zutraf, war im Grunde egal. Spandrels einzige Hoffnung konnte jetzt nur noch sein, die Sicherheit des heiligen Bodens zu erreichen. Er rannte los und sprang die erste Stufe hinauf. Silverwood eilte ihm nach, doch was er Laufen nannte, war für andere ein Watscheln. Die größere Gefahr stellte Buckthorn dar, und Spandrel konnte es sich nicht leisten, mit einem Blick über die Schulter festzustellen, wie nahe er war.
    Er erreichte die oberste Stufe und jagte auf die erstbeste Tür der Basilika zu. Hinter sich hörte er über die Steinplatten hämmernde Schritte. Dann legte sich eine Hand auf seine Schulter. »Stehen bleiben!«, bellte Buckthorn und riss ihn zu sich herum. »Erst gibst du uns Antwort, bevor du betest.«
    In Buckthorns Hand glitzerte ein Messer. Spandrel hatte es schon einmal gesehen und wusste, wie geschickt der Kerl damit umging. Er wich instinktiv aus, aber plötzlich tauchte Silverwood keuchend und fluchend neben ihm auf und drehte ihm den Arm nach hinten.
    »Wo ist das Grüne Buch, Spandrel?« Buckthorn täuschte einen Messerhieb vor. »Wo ist es, du verdammter Kerl?«
    »Ich... habe es nicht.«
    »Dann muss Estelle es haben. Wo ist sie?
    »Außerhalb Ihrer Reichweite.«
    »Wenn das stimmt...«
    Buckthorn brachte seinen Satz nicht zu Ende. Plötzlich traf ihn das stumpfe Ende einer Hellebarde am Handgelenk, und sein Messer fiel klappernd zu Boden. Buckthorn schrie vor Schmerzen auf. Im nächsten Augenblick wurden Silverwood und er von großen, kräftigen Männern in Helm und bunt gestreifter Uniform gepackt, Mitglieder der päpstlichen Schweizer Garde. Noch nie war Spandrel so froh über den Anblick eines Soldaten gewesen.
    »Nehmen Sie die Hände weg!«, rief Silverwood. »So können Sie doch englische Gentlemen nicht behandeln!«
    Genau das schienen die Männer von der Schweizer Garde jedoch zu glauben. Aller Wahrscheinlichkeit nach sprachen sie weder Englisch, noch hielten sie Leute für Gentlemen, die vor der Tür von St. Peter und Paul ihre Messer schwangen. Sie zerrten das Paar ohne viel Federlesens davon.
    »Wir kriegen dich schon noch, Spandrel!«, rief Buckthorn. »Glaub bloß nicht, dass wir dich zum letzten Mal gesehen haben.«
    Ein hinzugekommener Mönch schüttelte missbilligend den Kopf. »Un coltello, qui«, murmelte er vor sich hin. »Un sacrilegio.«
    Sakrileg? Ganz gewiss. Spandrel nahm an, dass man das Tun der beiden Männer als solches werten konnte. Und darüber hinaus glaubte er, dass die päpstlichen Behörden Frevelei mit besonderer Strenge ahndeten. Alles in allem ging er davon aus, dass er sie zum letzten Mal gesehen hatte.
    Er drehte sich um und eilte die Treppen hinunter.
    Die Piazza del Popolo war leer. Natürlich nicht menschenleer. Es trieben sich die üblichen Servitori, Händler, Reisende und Müßiggänger herum, wie immer herrschte ein reges Kommen und Gehen durch die Tore. Aber von Estelle fehlte jede Spur. So nahm Spandrel beim langsamen Umrunden der Piazza nichts als gähnende Leere wahr.
    Mehr von letzter Hoffnung als von Erwartung gelenkt, näherte er sich einer Gruppe Männer, die auf dem Sockel des Obelisken saßen, rauchten und die Nachmittagssonne genossen. Anscheinend saßen sie hier schon seit einiger Zeit beisammen. »Parla inglese, signori?«, radebrechte er. Statt einer Antwort erntete er nur ein vielfaches Augenzwinkern und Schulterzucken. »Ist schon eine Kutsche nach Florenz abgefahren? Una carrozza? Per Firenze?«
    Plötzlich erhob sich der kleinste und schmächtigste der Männer und baute sich vor Spandrel auf. »Wieso wollen Sie das wissen?«, fragte er in singendem schottischem Tonfall.
    Wie auf Befehl standen auch die anderen auf, und bevor Spandrel wusste, wie ihm geschah, hatten sie ihn umringt und an den Armen gepackt. »Lassen Sie mich los!«, protestierte er.
    »Wer sind Sie überhaupt?« Doch ihm war längst klar, mit wem er es zu hatte. Und er wusste auch, dass sie ihn nicht loslassen würden. Diesmal war keine Schweizer Garde da, die ihm zur Hilfe eilen würde.
    »In wenigen Augenblicken fährt eine Kutsche, Mr. Spandrel. Aber leider nicht nach Florenz. Das Ziel ist vielmehr der Palazzo Muti. Und Sie werden darin sitzen.«
    »Geänderte Pläne, Mr. Spandrel?«, erkundigte sich James Edgar eine halbe Stunde später im Palazzo Muti und musterte den Engländer über sein Pult hinweg. »Sagen Sie doch bitte: Wo ist das Grüne Buch?«
    »Ich habe es nicht.«
    »Haben Sie es je gehabt?«
    »O

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