Die Mission des Zeichners
zurück. Mit sofortiger Wirkung übernahm Robert Walpole dieses Amt und vereinte es mit dem des Oberzahlmeisters, das er bereits innehatte. Die Finanzangelegenheiten der Nation befanden sich damit voll und ganz in Walpoles Händen. Das Gleiche galt auch für das Postwesen, denn er hatte noch am selben Tag seinen Bruder Galfridus zum Postminister ernannt, oder zum Postabfangminister, als den ihn misstrauische Briefeschreiber bezeichneten.
Sunderland war jedoch nicht völlig entmachtet. Er blieb Oberkammerherr und der erste Vertraute des Königs, womit ihm auch weiterhin die Kontrolle über den Geheimdienst oblag. Er war durchaus bereit, sich für eine Weile zurückzuziehen, aber geschlagen wollte er sich nicht geben. Es gab genügend Abgeordnete - gegenwärtige und zukünftige -, die man vor der im März des nächsten Jahres fälligen allgemeinen Wahl bestechen oder erpressen konnte. Wenn die von Sunderland gekauften Männer dann im neuen Parlament mehr Sitze bekamen als Walpoles Gefolgsleute, würde sich das Blatt vielleicht doch noch einmal wenden.
Das Gesetz zur Entschädigung der Opfer der South Sea Company musste unterdessen noch vom alten Parlament verabschiedet werden. Es sollte das letzte Wort zu diesem unsäglichen Skandal sein. Mit seiner Hilfe beabsichtigte man, so viel Geld wie nur möglich von den Direktoren und anderen überführten Nutznießern einzuziehen und damit die Verluste der Gesellschaft zu decken. Aber dieses letzte Wort sollte sich in die Länge ziehen. Jedem Direktor wurde zugestanden, bestimmte unausweichliche Verpflichtungen mit seinen angegebenen Vermögenswerten zu verrechnen, was stets einen aufwändigen Rechtsstreit nach sich zog. Geschäfte wurden geschlossen, Abmachungen getroffen, Gefälligkeiten erwiesen. Aislabie, der in Ungnade gefallene, ehemalige Schatzkanzler, konnte sich mit einem Großteil seines Vermögens retten. Die Erbinnen des verstorbenen Postministers wurden milde behandelt. Und Sir Theodore Janssen wurde rätselhafterweise gestattet, mehr zu behalten als alle anderen Direktoren.
Die Öffentlichkeit wusste natürlich, was dahinter steckte: Korruption in ihren üblichen Brutstätten - den höchsten Kreisen. Aber was konnte man schon tun? Robert Knight blieb in der Zitadelle von Antwerpen hinter Schloss und Riegel und zur Stummheit verdammt. (Was aber nicht stimmen musste, wenn man hartnäckigen Gerüchten von seiner Verlegung anderswohin Glauben schenkte.) Und von Knights brisanten Aufzeichnungen fehlte offenbar jede Spur. Walpole wartete, bis die meisten Abgeordneten sich für den Sommer auf ihre Landsitze zurückgezogen hatten, ehe er die Angelegenheit Anfang August dem Unterhaus zur Abstimmung vorlegte. Und trotz lautstarker Proteste benachteiligter Gläubiger draußen vor den Toren wurde das Gesetz verabschiedet. Juristisch gesehen war der South-Sea-Skandal damit abgeschlossen.
In Rom glaubte der Prätendent auch weiterhin, dass der Groll des Volks zu seiner Thronbesteigung führen würde, und damit blieb der Palazzo Muti ein Nest von Verschwörern. Doch Verschwörungen und Aufstände, vor allem erfolgreiche, waren nicht ganz dasselbe. Der neu gewählte Papst Innocencius XIII. - der vormalige Bischof von Osimo - sicherte James Edward seine volle Unterstützung zu, um danach umso deutlicher den Eindruck zu vermitteln, als habe er ihn vollständig vergessen.
Ende September traf die Nachricht ein, dass Knight aus der angeblich ausbruchssicheren Zitadelle von Antwerpen geflohen war und sich über die Grenze nach Frankreich abgesetzt hatte. Das oftmals wiederholte Ersuchen des Brodrick-Ausschusses war endlich beantwortet worden, wenn auch wohl kaum in der Weise, wie seine Mitglieder es sich erhofft hatten. Hier war eindeutig ein anderes Geschäft abgeschlossen worden. Noch vor Jahresende hatte sich Knight in Paris als Berater für Finanzangelegenheiten niedergelassen. Als ehemaliger Erster Kassierer einer bankrott gegangenen Gesellschaft mit Schulden in Höhe von etwa fünfzehn Millionen Pfund hatte er nachweislich hervorragende Referenzen für eine solche Rolle.
Der Teil der britischen Gesellschaft, der noch immer Anteile und Schuldscheine der South Sea Company hortete, ertrug solche Vorkommnisse mit halb erstickter Wut. Die Geschädigten lernten Walpole wegen seiner Skrupellosigkeit bald noch mehr hassen als die verbrecherischen Direktoren, von denen sie geprellt worden waren. Der »Generaltäuscher«, wie sie ihn nannten, hatte sowohl seine Feinde wie auch seine
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