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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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Bord ins Wasser hinab. Er sah, wie ihn Estelle vom Achterdeck aus beobachtete, sah ihr rosa Kleid im Sonnenlicht blutrot leuchten. Sie hob keine Hand zum Gruß, und auch er verzichtete darauf. Die Regeln ihres Spiels mussten auch jetzt noch befolgt werden. Jeder wusste, was der Blick des anderen ausdrückte, und das genügte.
    Spandrel fragte sich, ob er sie je wieder sehen würde oder ob ihre in der Ferne verschwindende Gestalt wirklich das letzte Bild war, das er von ihr im Gedächtnis behalten sollte. Daran wollte er nicht glauben, obwohl es wahrscheinlich war. Noch lebte sie und er auch. Was die Zukunft ihnen bringen würde, ließ sich nicht voraussagen, nur dass er Estelle in besserem und liebevollerem Gedenken behalten würde, als er das je für möglich gehalten hätte.
    »Leb wohl, Estelle«, flüsterte er, während sich das Boot immer weiter vom Schiff entfernte. »Leb immer wohl.«

46 Ein Blick in die Zukunft
    Die Nacht verbrachte Spandrel im Smack and MackerelTnn in Hastings, das für seine Begriffe völlig zu Recht nach Fischen benannt war, weil in diesem Gasthaus wirklich alles, einschließlich der Bettwäsche, derart aufdringlich nach altem Fisch stank, dass sich einem der Magen umdrehte. Umso eiliger hatte er es am nächsten Morgen, seine Heimreise fortzusetzen, doch es war Sonntag, und es verkehrten keine Kutschen. Ein Schiffer, der am Nachmittag nach London segeln wollte, zeigte sich aber bereit, Passagiere mitzunehmen, sodass Spandrel Hastings auf dieselbe Weise verließ, wie er gekommen war: über das Meer.
    Die Fahrt dauerte allerdings weitaus länger, als Spandrel erwartet hatte. Als ob es nicht genügt hätte, dass das Segelboot einen Hafen nach dem anderen anlief, zogen sich die Aufenthalte jedes Mal unerträglich in die Länge. So waren sie am Dienstagmorgen nicht weiter als bis Deal gekommen. Dort riss Spandrel endgültig der Geduldsfaden. Nach einem barschen Wortwechsel mit dem Kapitän, der sich weigerte, einen Teil des Fahrpreises zurückzuzahlen, ging er von Bord .und setzte seine Reise über Land fort.
    Die Nacht verbrachte er in Faversham, und am Tag darauf nahm ihn eine Postkutsche nach London mit. Am frühen Abend hätte er in Leicester Fields sein können, aber einer plötzlichen Laune folgend quartierte er sich für die Nacht im Talbot Inn in der Borough High Street ein.
    Nach einer Mahlzeit und mehreren belebenden Gläsern Bier in der Schankstube lief er zur London Bridge, wo er sich in einer Lücke zwischen den auf der Brücke gebauten Häusern postierte und zusah, wie über der Stadt, die noch einmal zu sehen er schon die Hoffnung verloren hatte, das Licht langsam verblasste. Es war schön, wieder zu Hause zu sein. Und noch schöner war die Gewissheit, dass er diesmal bleiben konnte.
    Am nächsten Morgen nahm Margaret Spandrel ihr Frühstück in gedrückter Stimmung zu sich. Zwar gab sie sich alle Mühe, ihre Trauer darüber abzuschütteln, dass William sie nun schon zum zweiten Mal plötzlich und ohne jede Erklärung verlassen hatte, aber das gelang ihr schon deshalb nicht, weil heute sein siebenundzwanzigster Geburtstag war. Nun, vielleicht fand sie am Markt von Covent Garden beim Feilschen über Gemüsepreise Ablenkung. Mit einem schweren Seufzer erhob sie sich vom Tisch und ging zum Fenster, um nachzusehen, was für ein Wetter draußen war.
    Aber das Wetter war ihr plötzlich völlig egal, denn dort unten, am Rand des Rasens vor dem Haus, stand eine vertraute Gestalt. Und sie winkte ihr zu.
    Hastig schob sie das Fenster hoch und lehnte sich weit hinaus. »William? Bist das wirklich du?«
    »Ja, Ma!«, rief er, über das ganze Gesicht grinsend, zurück. »Das bin wirklich ich!«
    Am selben Tag kehrte noch ein anderer Reisender aus den Niederlanden zurück. Horatio Walpole suchte sofort nach seiner Ankunft seinen Bruder im Schatzamt auf und erstattete Bericht, wobei er inbrünstig hoffte, er würde diesmal nicht gleich wieder zurückgeschickt.
    Unverwüstlichkeit zählte zu Robert Walpoles prägenden Eigenschaften. Seine Niedergeschlagenheit während ihrer letzten Begegnung hatte er längst abgelegt. Ja, es kam Horatio sogar so vor, als hätte er den Zauber von Estelle de Vries alias Davenant bereits vergessen, was wohl entweder dem Zauber einer frisch entdeckten, neuen Mätresse zu verdanken war oder einer glücklichen Wendung bei der Verfolgung Atterbu-rys. Wie sich herausstellte, hatte beides Roberts Stimmung gebessert.
    »Das hast du gut gemacht, Horace!«, rief der große

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