Die Mission des Zeichners
aufflammende Hoffnung einzudämmen. »Gott sei Dank!«
»Guten Tag.« Cloistermans Miene gab nichts preis. »Werden Sie gut behandelt?«
»Ob ich gut behandelt werde?« Über Cloistermans Schulter hinweg fing Spandrel den Blick des Großen Janus auf. »Ich... habe keine Beschwerden.«
»Freut mich, das zu hören.«
»Ich dachte... ich wäre...«
»Vergessen worden? Nichts dieser Art, glauben Sie mir. Ich habe mich schier für Sie zerrissen.«
»Danke!« Spandrel hätte sich Cloisterman vor die Füße geworfen, wenn er geglaubt hätte, dass dieser eine solche Geste zu schätzen gewusst hätte. »Danke, Sir.«
»Und ich habe ein wesentliches Zugeständnis für Sie erreicht.«
»Danke! Vielen, vielen Dank!«
»Glauben Sie, dass Sie uns zu Zuylers Wohnung führen können?«
»Seine... Wohnung?«
»Ja. Das Haus, in das Sie nach Ihrer Rettung aus der Gracht gingen.«
»Gracht.« Es kostete Spandrel ungewohnte Anstrengung, wieder einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. »Aber natürlich. Zuylers Wohnung. Unter der Apotheke.«
»Genau. Könnten Sie uns dorthin führen?«
»Ja... ich glaube schon... ganz bestimmt. Von der... Taverne aus würde ich den Weg auf alle Fälle finden.« Spandrel konnte sich beim besten Willen nicht mehr an den Namen der Taverne erinnern, in der er die Nacht vor seiner unseligen Rückkehr in Ysbrand de Vries' Haus verbracht hatte. Aber er würde ihm bestimmt rechtzeitig einfallen. »Doch, das könnte ich, Mr. Cloisterman. O ja.«
»Ich glaube Ihnen. Sie sollen Ihre Chance erhalten.«
»Wann?«
»Montag.«
»Und wie lange ist es bis...« Spandrel versuchte zu berechnen, wie viele Tage verstrichen waren, seit er zuletzt Kirchenglocken den Sabbat hatte einläuten hören. Waren es fünf? Oder sechs? Er schüttelte hilflos den Kopf.
»Das ist übermorgen«, erklärte Cloisterman, der auf einmal Mitleid mit ihm bekam.
»Danke. Aber natürlich. Übermorgen. Und das... wird meiner Sache helfen?«
»Möglicherweise.« Cloisterman zögerte. Schließlich fügte er hinzu: »Wir werden es sehen, nicht wahr? Am Montag.«
Obwohl der Oberzahlmeister Robert Walpole ein verhältnismäßig niedriges Amt bekleidete, genoss er gewisse Privilegien. Das gewinnträchtigste war die Aufsicht über den Sold für die ganze Armee, den er am Anfang jedes Jahres vom Schatzministerium erhielt und dann nach und nach auszahlte. Bis dahin konnte er das Geld für sich anlegen, und die Zinserlöse kamen ihm persönlich zugute. In Kriegszeiten, in denen die Armee ungleich größer war, konnte ihm diese Praxis sagenhaften Reichtum bescheren. Der Duke of Chandos, der im Spanischen Erbfolgekrieg Oberster Zahlmeister gewesen war, hatte danach gar nicht gewusst, wohin mit all seinem Geld, und laut Gerücht den Verlust von Anteilen an der South Sea Company im Wert von siebenhunderttausend Pfund ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis genommen. In Friedenszeiten häuften sich die Reichtümer des glücklichen Inhabers dieses Amtes zwar in einem gemächlicheren Tempo, aber nichtsdestoweniger häuften sie sich. Walpole erlebte zurzeit eine zweite Amtsperiode auf diesem Posten und war nun das, was er selbst bei kluger Führung seiner Ländereien in Norfolk nie geworden wäre - ein Mann von beträchtlichem Vermögen.
Darüber hinaus bewohnte er die offizielle Residenz des Oberzahlmeisters, das Oxford House, einen Seitenbau des Royal Hospital in Chelsea, das der König für Veteranen der Armee hatte errichten lassen. Seine Räumlichkeiten entsprachen genau der Würde und Bedeutung, die ihm seiner Überzeugung nach gebührten, und er hatte nicht die Absicht, es zu verlassen, wenn er ein höheres Regierungsamt annahm. Ja, als er in seiner Mußestunde an diesem Sonntagmorgen bei Sonnenschein und für den Frühling recht warmem Wetter über den Rasen schlenderte, der sich bis hinunter zur Themse erstreckte, erwog er, wie es sich bewerkstelligen ließe, noch mehr Gebäude und Grundstücke der Anlage für seine privaten Zwecke zu beschlagnahmen. Seine Frau hatte den Wunsch nach einer Voliere geäußert, und er selbst hatte sich überlegt, dass ein Sommerhaus sich ganz gut auf der Terrasse machen würde, wo gegenwärtig Pensionäre die frische Luft genossen.
Richtig, Veränderungen standen an, hier und in Norfolk, sobald er sein Ziel erreicht hatte.
Sein schöner Tagtraum wurde durch die Ankunft eines Besuchers gestört. Es war jemand, den er erwartete und mit dem er sprechen musste. Dennoch verfolgte er mit gemischten
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