Die Mission des Zeichners
gelernt. Das war mein Fehler. Ein Soldat braucht eine Unterkunft. Aber er sollte nie glauben, er hätte eine Heimat gefunden. Die Wagemakers brauchten Geld. Ihr Vater war ein schlechter Sachwalter ihrer Interessen gewesen und Tiberius hatte es nicht in sich, den Schaden zu beheben. Eine Tante mit loser Zunge, die bei ihnen lebte und der kranken Mutter Gesellschaft leistete, brummelte in meiner Gegenwart mehr als einmal, dass sie bis zum Hals in Schulden steckten. Das erklärt, warum Tiberius bereit war, den Blind Man's Tower an mich zu vermieten. Einkünfte, egal, welcher Art, waren hoch willkommen. Und es erklärt auch, warum sie überhaupt nicht um den armen Hatton trauerten. Sie erweckten gar nicht erst den Anschein und sprachen bisweilen sogar geringschätzig über ihn, bis sie merkten, dass sie damit meine Höflichkeit auf die Probe stellten, und von da an hüteten sie ihre Zunge. Sie hatten sich einen anderen Ehemann für Dorothea vorgestellt, einen, der mehr zu bieten hatte: Esmund Longrigg, Eigentümer eines einträglichen Guts in der Nachbarschaft. Longrigg hatte außerdem das Amt des Wildhüters inne, das eine beneidenswerte Menge an Privilegien mit sich brachte. Er und Dorothea wurden in der Weihnachtszeit bei Bällen und Musikabenden immer wieder zusammengeführt. Und Longrigg war davon ausgesprochen angetan. Dorothea allerdings nicht. Und ich konnte ihr das nicht verdenken. Dieser Longrigg gefiel mir genauso wenig. Er war wie Talg im Vergleich zu Bienenwachs. Aber er hatte Geld. Und für ihre Brüder zählte nur das. Sie redeten ihr zu, seinen Heiratsantrag anzunehmen, falls - oder wie sie das sahen - sobald er ihr einen machte. Und natürlich machte er ihr einen!« McIlwraith seufzte und griff wieder zur Whiskeyflasche. »Sie bat sich Bedenkzeit aus. Dann suchte sie Rat bei mir. Sie verachtete Longrigg, aber sie wusste auch, wie wichtig die Ehe mit ihm für die Zukunft ihrer Familie war. Doch das änderte nichts an ihrem Abscheu. Das Leben mit ihm wäre eine Qual. Was sollte sie tun?«
»Was haben Sie ihr geraten?«
»Dass sie ihn ablehnen sollte.« McIlwraith wandte sich zu Spandrel um. Sein Gesicht war finster. »Wenn ihre Brüder so besorgt um die Zukunft der Familie waren, womit sie ihr eigenes Wohlleben meinten, dann sollten sie gefälligst selbst etwas leisten, um sie zu sichern, statt das Glück ihrer Schwester zu verpfänden.« Er schien bei der Erinnerung an seine eigenen Worte zu lächeln. »So lautete mein Rat an sie.«
»Hat sie ihn angenommen?«
»Sie hat Longrigg tatsächlich abgewiesen, was ihre Brüder fürchterlich geärgert hat, wie Sie sich denken können, zumal sie wussten, dass sie vorher bei mir gewesen war, und vermuteten, dass ich sie in ihrer Entscheidung bestärkt hatte. Tapfer wie sie war, hat sie das bestritten. Als sie mich trotzdem beschuldigten, habe ich es vorgezogen, nichts zu leugnen. Dass sie mich zu sich ins Haus zitierten und ins Kreuzverhör nahmen wie einen auf frischer Tat ertappten Wilderer, war mir egal. Longrigg war auch dabei. Anscheinend glaubten die Brüder, sie hätten ein Recht, mir vorzuschreiben, was ich tun darf und was nicht, nur weil ich auf ihrem Anwesen lebte. Ich musste mir hässliche Worte anhören, und es gab wütendes Geschrei. Longrigg verstieg sich sogar zu der Unterstellung, ich hätte Dorothea gegenüber unlautere Absichten gehegt.
Augustus ging sogar noch weiter und bezichtigte mich, es nicht bei bloßen Absichten belassen zu haben. Da verlangte ich, dass er diese Beleidigung auf der Stelle zurücknahm. Als er sich weigerte, forderte ich Satisfaktion. Das konnte ich mir nicht bieten lassen.«
»Sie haben ihn herausgefordert?«
»Ja. Aber das Duell ist nicht ausgetragen worden. Sie hatten Dorothea inzwischen wie eine Gefangene im Haus eingesperrt. Ich durfte sie nicht sehen, aber sie wusste, was geschehen war. In einem Brief, den eine Magd für sie zu mir herausschmuggelte, flehte sie mich an, auf den Kampf mit ihrem Bruder zu verzichten. Sie schrieb, sie könne den Gedanken nicht ertragen, dass einer von uns ihretwegen sterben solle. Ich antwortete, dass es eine Frage der Ehre sei und ich keine andere Wahl als den Kampf hätte, es sei denn, Augustus nahm seine Unterstellung zurück, was er, wie mir klar war, nie tun würde. Schon damals war er zu stur, um einzulenken. Und zu tapfer. Er hatte die Forderung zum Duell bewusst provoziert. Er wollte den Kampf mit mir. Und ich wollte den Kampf mit ihm, Gott möge es mir verzeihen. Aber es
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