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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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sich die Umstände seinen Wünschen und Hoffnungen.
    Die Piazza di Spagna, eine ausgedehnte Fläche, in deren Mitte sich ein nach dem Vorbild eines lecken Schiffs gebauter Brunnen befand, lag zwischen der spanischen Botschaft und dem schlammigen, von Karrenrädern durchfurchten Anstieg zur Kirche Trinita dei Monti mit ihren weithin sichtbaren Zwillingstürmen oben auf dem Hügel. Der Servitore, der sie von der Piazza del Popolo hierher gebracht hatte, hatte Buckthorne und Silverwood eingeredet, dass die entzückendsten Zimmer in diesem Viertel im Palazzetto Raguzzi am nördlichen Ende der Piazza zu bekommen seien. Tatsächlich waren die beiden Engländer von den zwei freien Räumen im ersten Stock überaus entzückt. Zu ihrer großen Betrübnis mussten sie allerdings feststellen, dass die Reisegruppe nicht unter einem Dach untergebracht werden konnte. Nach reichlich galantem Gebaren und ritterlichem Verzicht einigte man sich schließlich darauf, dass dieses Privileg unbedingt Estelle zustand und Spandrel in den Genuss des anderen Zimmers kommen sollte, während sich Buckthorn und Silverwood mit den Räumlichkeiten der Albergo Luna in der Via Condotti in einer Seitenstraße begnügen wollten.
    In Spandrels Augen trug das Palazzetto Raguzzi seinen Namen völlig zu Recht. Sein Zimmer erinnerte wie das von Estelle im Ausmaß an einen Palast und hatte entsprechend hohe Fenster, die auf die Piazza hinausführten. Dazu war es mit edlen Möbeln eingerichtet, die allerdings nicht zu übersehende Flecken und Mängel aufwiesen. Das änderte freilich nichts daran, dass es für ihn die prächtigste Unterkunft war, die er je bezogen hatte. Außerdem freute er sich schon darauf, dass wahre Pracht bei ihm bald zur Gewohnheit werden würde. Und vorher durfte er ein unbezahlbares Vergnügen genießen. Nach dem Essen mit Buckthorn und Silverwood im Albergo Luna kehrten er und Estelle früh mit der Entschuldigung, sie fühlten sich nach der langen Reise müde, ins Palazzetto zurück. Müde waren sie allerdings, doch für Spandrel zählte das nichts im Vergleich zu der vier Tage lang aufgestauten Sehnsucht nach Estelle. Und sie wirkte über das Ende der Selbstverleugnung genauso froh wie er. Die gequälte Höflichkeit vom Abend angesichts Buckthorns und Silverwoods Geistlosigkeit wich einer Nacht der Enthemmung, in der das Glück, das Spandrel in Genf erlebt hatte, von neuem aufblühte. Gleichwohl wusste er im Hinterkopf, dass es trotz seines Glücksgefühls ein Fehler wäre anzunehmen, dass Estelle es mit ihm teilte. Doch in der Morgendämmerung glaubte er es trotzdem.
    Gegen Morgen widmeten sie ihre Gedanken allmählich dem eigentlichen Zweck ihrer Romreise. »Wir müssen das Buch nachher in einer Bank hinterlegen«, mahnte Estelle, als sie nebeneinander im Bett lagen und es draußen bereits hell wurde. »Mr. Buckthorn und Mr. Silverwood werden darauf brennen, mir ein paar von den römischen Schätzen zu zeigen, zumal ich ihnen versichert habe, dass ich genauso neugierig darauf bin. Das Beste wird sein, du klagst über eine Unpässlichkeit und kommst nicht mit. Deine Abwesenheit wird sie nicht stören.« »Bestimmt nicht.«
    »Im Gegenteil«, fügte Estelle lächelnd hinzu, »sie werden sich eher darüber freuen.«
    »Und werden ihr Vergnügen nicht allzu gut verbergen.« »Richtig. Und während ich mich von der einen dummen Ruine zur nächsten quäle, gehst du zum Palazzo Muti und lässt dir vom Sekretär des Prätendenten eine Audienz vermitteln.«
    »Und wenn er mich nicht empfangen will?« »Wenn du beharrlich genug bist, wird er dich nicht abweisen. Es dauert vielleicht ein bisschen. Wir müssen eben geduldig sein. Wenn du ihm erklärst, was wir zu verkaufen haben, wird er die Wichtigkeit der Angelegenheit verstehen. Und er wird zahlen, was wir fordern, um sich das Buch zu sichern. Dem Prätendenten wird es das Ende seines Exils verheißen.«
    »Hat das Grüne Buch wirklich das alles zu bedeuten: Krieg in unserem Heimatland? Die Rückkehr eines Stuart auf den Thron?«
    »Wer weiß? Und wen kümmert es?« Estelle sah zu Spandrel auf. Ihre Augen wirkten im Zwielicht des Raumes noch dunkler. Der Duft, den ihre Haut verströmte, hüllte ihn ein. Unvermittelt verflochten sich die Erinnerung an die berauschende Nacht und ihr raffinierter, wagemutiger Plan ineinander. »Es ist für uns, William. Für uns und sonst für niemanden.«
    »Ich wünschte, du könntest mitkommen.«
    »Ich doch auch. Aber solche Verhandlungen werden am besten

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