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Die Mission

Die Mission

Titel: Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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– den UnterWesen – abgewandelt war, deutete dies laut Überzeugung des UnFunDaMentalismus darauf hin, dass alle anderen Rassen unrein und daher minderwertig waren.
    Auch in der Demi-Monde waren also rassische Vorurteile an der Tagesordnung.
    Sie traute sich kaum, ihre Seite auf dem Gehsteig zu verlassen, aus Furcht, von der Flut künstlicher Menschen mitgerissen zu werden, und blieb nur einen Augenblick stehen, um sich zu orientieren. Das Prancing Pig lag an der Sidney Street, und die verlief parallel zur Mile End. Um zum Pub zu gelangen, musste sie die Straße überqueren. Und das wiederum war eine beängstigende Aussicht.
    Wenn schon die Gehsteige voll waren, so war das nichts im Vergleich zu dem Strom von Pferdekarren, Omnibussen, Droschken und Dampfwagen, die unter lautem Hupen, Geschrei und Gefluche vergeblich versuchten, sich einen Weg durch die völlig verstopfte Straße zu bahnen. Was für ein ohrenbetäubender Lärm! Die Demi-Monde war eine Kakophonie von Ersatzmenschen und ihren Schöpfungen.
    Ella schüttelte den Kopf. Die Aussicht, sich durch die beinahe undurchdringliche Lawine von Fahrzeugen schlängeln zu müssen, war alles andere als angenehm, vor allem, weil die Straße mit einer dicken Schicht Ruß, Schlamm, Schneematsch und Pferdedung bedeckt war. Ein falscher Schritt und ihre Mission wäre zu Ende, noch ehe sie begonnen hatte. Die Räder eines unachtsamen Pferdekarrens oder die Hufe eines nachlässigen Brauereipferdes würden sie zermalmen.
    Dann …
    … kam der Verkehr plötzlich zum Erliegen, als wollte er eine Verschnaufpause einlegen. Ella packte die Gelegenheit beim Schopf und rannte los. Sie rutschte und schlitterte über die verschneiten Pflastersteine, zwängte sich zwischen den Karren von zwei Straßenhändlern hindurch, die an der Straßenseite standen, wich den stählernen Rädern eines Dampftraktors aus, duckte sich unter der knallenden Peitschte eines Fuhrmanns, der seine Pferde in eine nicht existierende Lücke im Verkehr drängte, ignorierte die unflätigen Schreie eines Droschkenfahrers, der gezwungen war, die Zügel anzuziehen, fluchte, als sie in eine eiskalte Pfütze trat, und erreichte schließlich – schmutzig, verschwitzt und zitternd – mit einem Seufzer der Erleichterung die rettende andere Straßenseite.
    Einen Moment suchte sie Schutz im Eingang eines Kurzwarenhändlers, um wieder zu Atem zu kommen und ihre flatternden Nerven zu beruhigen. Diese Demi-Monde war ein wahrer Albtraum. An keinem Ort der Welt hatte sie sich jemals so bedroht und unsicher gefühlt. Sogar Flatbush in seiner schlimmsten Phase verblasste gegenüber den Rookeries. Alles in der Demi-Monde vermittelte ihr den Wunsch, woanders zu sein. Sie konnte von Glück reden, wenn sie das überlebte. Fast wäre sie an der Hauswand zusammengesackt, nahm sich aber fluchend zusammen. Sie hatte völlig vergessen, dass jede vertikale Oberfläche in den Rookeries mit einer Schicht von schmierigem Ruß bedeckt war. Jetzt hatte ihr schöner Pelzmantel einen schönen schwarzen Strich auf dem Rücken.
    Na toll.
    Mit einem resignierten Seufzer drängte sich Ella wieder in den Menschenstrom zurück und bahnte sich mit den Ellenbogen einen Weg in die Richtung, in der sich laut PINC die Sydney Street befand. Schließlich schaffte sie es, obwohl ihre Haube im Gewühl in Schieflage geraten war und sie nicht glaubte, dass der Reifrock je wieder zu gebrauchen wäre. Schwärme von Menschen, die von den Feierlichkeiten zum Gewerkschaftstag im ForthRight aus dem Hyde Park kamen, ergossen sich hier über die Straße. Offensichtlich war jeder Auftritt des Großen Führers Reinhard Heydrich ein Ereignis, und es wurde erwartet, dass alle loyalen ForthRightisten daran teilnahmen. Tatsächlich schienen die Leute sehr angetan von all den Märschen und gemeinsamen Gesängen.
    Eine Bande lachender Kinder, deren Gesichter starr vor Kälte waren, wuselte an Ella vorbei. Jedes hielt einen Luftballon mit dem Motto des ForthRight »Aus zwei mach eins« in der einen Hand und wedelte mit der anderen mit einem Papierfähnchen, auf dem die drei ineinander verschlungenen Valknut-Dreiecke zu sehen waren. Die Partei des ForthRight hielt anscheinend viel von Luftballons und Fähnchen.
    Von Dämonen dagegen nichts.
    Bei diesem Gedanken beschleunigte Ella ihre Schritte.
    Je eher sie zum Prancing Pig kam, desto besser.

14
    Demi-Monde:
40. Tag im Winter des Jahres 1004
    Die Okkultisten (auch bekannt unter dem archaischen Begriff Ocularisten) bemühen

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