Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
Vom Netzwerk:
zurückkam, lauschte Helene mit dem Rücken zu ihm auf das Einsetzen des Schnarchens. Doch das Schnarchen sollte nicht beginnen. Stattdessen spürte sie plötzlich Wilhelms Hand auf ihrer Hüfte. Helene drehte sich zu ihm um, ein Dunst von Bier und Schnaps und süßem Parfüm schlug ihr entgegen. Sie hatte ihn schon zuvor gerochen, aber nicht so stark.
    Was für ein großer Tag für dich, du musst erleichtert sein. Helene legte ihre Hand in Wilhelms Nacken, das frisch rasierte Haar fühlte sich sonderbar an.
    Pff, erleichtert. Jetzt geht es erst richtig los, Kindchen, jetzt fängts an. Wilhelm konnte die Worte nicht mehr deutlich artikulieren, er schob seine Hand zwischen Helenes Beine, drückte seine Finger in ihre Schamlippen. Komm, sagte er, als sie seine Hand wegschieben wollte. Komm, du kleines Tier, du süßes Fötzlein, komm. Er drückte Helenes Arme zur Seite und wendete ihren Körper. Sie sträubte sich, das reizte ihn, vielleicht glaubte er, sie sträubte sich für ihn, um ihn zu locken, wild zu machen. Was für ein Arsch, sagte er. Helene zuckte zusammen.
    Jede gottverdammte Frau, hatte er einmal gesagt, glaube, in das Herz der Menschen schauen zu können, dabei könne er in ihre Scham sehen, er könne tief in ihr Geschlecht blicken, den wohl tiefsten Schlund ihres Körpers, den saftigsten, ein Schlund, der ihm allein gehöre, ein Schlund, wie sie selbst ihn wohl nie sehen könne – so unmittelbar, so geradewegs. Vorhin erst mochte Wilhelm mit den Kollegen bei einer Hure gewesen sein, Helene hatte das blumige Parfüm gerochen. Selbst ein Spiegel erlaubte den Blick nur über Bande. Eine Frau würde nie Herrin des Blickes sein können. Möge sie nur Herzen schauen, so viele sie wollte.
    Zum Abschluss klopfte Wilhelm Helene auf das Hinterteil. Das war gut, seufzte er, sehr gut. Er ließ sich auf die Matratze sinken und rollte sich zur Seite, nachher fahren wir nach Braunsfelde, murmelte er.
    Wir könnten auch ans Meer, schlug Helene vor.
    Meer, Meer, Meer. Immer willst du ans Meer. Da blll, blll, Wilhelm musste lachen, bllläst ein kalter Wind.
    Es ist doch noch fast Sommer, gestern waren bestimmt zwanzig Grad.
    De, de, de, de, de. Wilhelm lag in der Mitte des Bettes, den Rücken Helene zugewandt, und schmatzte. Meine Frau, die Ilsebill. Ich sollte dich Ilsebill nennen. Du weißt alles besser, was? Aber das macht nichts. Wir fahren nach Braunsfelde.
    Ist das Haus fertig?
    Das Haus ist fertig, ja. Aber wir nehmen es nicht.
    Helene sagte nichts, vielleicht war das einer der Späße, die sie nicht immer gleich verstand.
    Da staunst du. Wir fahren nach Braunsfelde und treffen den Architekten und die Käufer. Wir unterzeichnen alles. Ich hab damit nichts mehr am Hut.
    Du machst Scherze.
    Vielleicht ist das doch ne Frage der Rasse, Kindchen, mit dem Scherzen. Wilhelm drehte sich jetzt zu ihr um. Wir verstehen uns nicht. Warum sollte ich hier ein Haus kaufen, wenn die neuen Aufträge noch nicht ausgehandelt sind?
    Helene schluckte. Das Wort Rasse in Bezug auf sie und ihn, das hatte er noch nie so deutlich gesagt.
    Für Pölitz sind bedeutende Neuerungen geplant, das wär schon was. Wilhelm schnarchte, unmittelbar nach dem letzten Wort setzte das Schnarchen ein. Helene war es ein Rätsel, wie ein Mensch mitten aus dem Satz heraus in den Schlaf fallen konnte.
    Nach dem langen Winter litt Wilhelm unter seiner Haut. Sie hatten zu Abend gegessen, Helene hatte den Tisch abgeräumt und Wilhelm hatte sich mit dem Waschlappen gewaschen. Helene überlegte, wie sie das Gespräch beginnen könnte, ein Gespräch, das ihr wichtig war.
    Ekelhaft, diese Unreinheiten, findest du nicht? Wilhelm stand vor dem Spiegel und blickte sich abwechselnd über die linke und die rechte Schulter. Es war nicht einfach für ihn, sich trotz diesem breiten Kreuz von hinten zu sehen. Mit der flachen Hand fuhr er über seine Haut, die Schultern, den Nacken. Hier hinten, eine richtige Beule, schau mal.
    Helene schüttelte den Kopf, mir machen sie nichts. Sie stand am Ausguss und wusch in einer Schüssel das Geschirr.
    Dir nicht, nein. Ein gequältes Lächeln entglitt Wilhelm. Dir ist es egal, wie ich aussehe. Wilhelm konnte den Blick von seinem Rücken nicht abwenden. Kann man das heilen?
    Heilen? Du hast einen schönen, kräftigen Rücken, was willst du heilen? Helene schrubbte den Boden des Topfes, an dem schon seit Wochen die Soßen hakten und anbrannten. Pickel hat man oder hat sie nicht, sagte sie und spülte den Topf jetzt unter klarem Wasser

Weitere Kostenlose Bücher