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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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keinen Zugriff hat und von denen sie und niemand sonst etwas weiß. Schließlich will man auch nach einer Trennung noch unabhängig leben, nicht wahr?
    Während er mit seinem Mercedes zu Giselle fährt, staunt er über sein reines Gewissen. Sie wird ihr Geschenk bekommen. Er wird ihr etwas mitbringen. Sicherheit! Thomas hat ihm und ihr, ohne es zu wissen, die Unabhängigkeit geschenkt. Frank wird seinem Sohn niemals verzeihen, in dieser Sache eigene Wege gegangen zu sein, also wird er auch das Geld, sollte es fließen, nicht annehmen. Otto kennt den alten Bergmann. Der ist ein stolzer Mann mit Prinzipien.
    Und was jemand nicht haben will, kann man ihm auch nicht nehmen.

18
     
    Mike Stern fährt mit der U-Bahn in die City. Obwohl es sein letzter Urlaubstag ist, hat er auf Bitten seiner Sekretärin einem Gespräch zugestimmt, das im Café Kranzler stattfinden soll. Es handele sich um eine wichtige Story, die keinen Aufschub dulde. Entweder er rede mit dem Mann oder der gehe zur Konkurrenz.
    Mike ist zu sehr Journalist, um abzulehnen.
    Er bestellt sich einen Kaffee und betrachtet das Treiben im Café. Männer und Frauen jeden Alters fläzen an den Tischen, trinken, schnattern, reden und rauchen. Kuchen wird gereicht, manchmal Alkohol, obwohl es erst früher Nachmittag ist und Geld wechselt den Besitzer. Hier begegnet man sich, so, wie Kästner es einst erlebte. Berlin bleibt Berlin, die beste Insel der Welt.
    Ein Mann strebt auf ihn zu, unter dem Arm eine Aktentasche, ein die Leibesfülle kaschierender Tweedanzug, von Ives Saint Laurent, wie Mike erkennt, die Schuhe tadellos sauber. Das Gesicht wirkt glatt wie auch die Haare, irgendwie hühnerhaft, findet Mile, und wird von einer schweren Hornbrille verunstaltet. Eine seltsame Gestalt.
    » Sie sind Michael Stern?«
    Mike erhebt sich. Man schüttelt sich die Hände.
    »Ich heiße Jäckel, Otto Jäckel.«
    Der Mann öffnet sein Jackett und setzt sich. Er legt die Aktentasche auf den kleinen Tisch und platziert die Fingerspitzen auf das feine Leder, als erwarte er etwas.
    »Sie haben eine Story für mich?« Mike brennt vor Neugierde.
    Der Mann, Otto Jäckel, lächelt, wobei seine Augen kalt bleiben. »Ich musste zu dieser Lüge greifen, damit Sie mich anhören.«
    Mike will aufstehen. Das ist unverschämt, doch Jäckels Blick nagelt ihn auf dem Caféhausstuhl fest.
    »Es geht um das Foto, das Sie von Frank Wille gemacht haben«, sagt Otto Jäckel. »Das berühmte Foto.«
    Mike schweigt. Was soll das? Was geht hier vor sich?
    »Das den Mann am Fahnenmast zeigt.«
    » Ich weiß«, antwortet Mike seelenruhig. Jäckel grinst und Mike erkennt, dass er einen Fehler begangen hat.
    » Seit September 1965 gibt es das neue Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, wie es sich nennt.«
    Mike begreift umgehend, was der Mann will und möchte sich am liebsten in den Hintern beißen. Da er weiß, wer der Mann am Fahnenmast ist, und dies bestätigte, hat er die Pflicht, dessen Genehmigung zur Veröffentlichung einzuholen. Das ist anders, wenn es sich um einen Prominenten handelt, also einer Person des sogenannten öffentlichen Interesses. In diesem speziellen Fall, und darüber ist er sich bitter klar, hat er das Urheberrecht verletzt und das kann ihn teuer zu stehen kommen.
    Er versucht, Haltung zu bewahren. Erwartet hat er so etwas seit Jahren und nun ist es soweit. »Und was hat das mit mir zu tun?«
    Jäckel lächelt, und Mike erkennt, dass dieser Mann Verhandlungen gewohnt ist. Die Augen glitzern wie kaltes Wasser, die Körpersprache ist verhalten, aber sich seiner bewusst. Er weiß schon jetzt, wer an welcher Stelle den Vertrag unterzeichnen wird.
    »Eine Menge hat das mit Ihnen zu tun, Herr Stern, und ich sehe Ihnen an, dass Sie das genau wissen.« Jäckel tippt die Fingerspitzen zusammen. »Meine Recherchen ergaben, dass Sie das Foto an verschiedene internationale Agenturen verkauft haben. Darunter Reuters, an Visum, Werek, Rosar, um nur die deutschen Vertreter zu nennen. An Corbis and Stock Images und an World Press. Die Liste ist unvollständig, aber reizvoll, denn sie alle haben einen guten Namen. Das Foto wurde nach Branchenschätzungen ungefähr neuntausendmal veröffentlicht, was vermutlich untertrieben ist. Wie man es auch dreht, Sie, Herr Stern, haben damit eine Menge Geld verdient. So viel Geld, dass es für Sie bis an Ihr Lebensende reicht. Das Foto hat einen ähnlichen Ruf wie das des Soldaten, der am Checkpoint Charlie über den Stacheldraht springt oder

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