Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
der vietnamesischen Mutter mit dem Kleinkind, die vor einem Napalmangriff flüchten. Ganz zu schweigen vom Flaggenbild auf Iwo Jima.«
Mike spürt feinen Schweiß, der sich auf seine Stirn legt. Der Mann ist bestens informiert und scheint gnadenlos zu sein. Man muss kein Hellseher sein, um die Dollarzeichen zu sehen, die in Jäckels Augen leuchten.
»Sie haben das Bild schützen lassen, haben ein Copyright angemeldet. Also verdienen Sie immer mit, wenn es veröffentlicht wird. Und zuletzt zierte Frank Wille am Fahnenmast den Titel des Spiegel. Keine schlechte Adresse, meine ich, immerhin ist das eines der angesehensten politischen Magazine der Welt.«
» Wie man’s sieht ...«, knurrt Mike. Er schätzt den Herausgeber Rudolf Augstein sehr, versteht jedoch bis heute nicht, dass dieser ein Angebot des ehemaligen FDP-Vorsitzenden Walter Scheel annahm und bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Paderborn gegen Rainer Barzel antrat. Für Mike hat ein Mann wie Augstein nichts im Deutschen Bundestag zu suchen, wo dieser seit November 1972 hockt. »Ja, eine gute Adresse.«
» Sie können sich also denken, warum ich Sie um dieses Gespräch gebeten habe?«
» Dass wir auch gleich beendet können, Herr Jäckel. Sie sollten sich an meinen Anwalt wenden.«
Jäckel schüttelt fast mitleidig den Kopf. »Stets dieselbe Reaktion, wenn es ans Eingemachte geht. Sie wissen genau, dass dieser Anwalt Sie arm machen wird und letztendlich kommt es zu einem Vergleich, der Sie genauso viel kostet, als würden wir uns vorab einigen. Ab sofort haben Sie es mit mir zu tun, denn Frank Wille ist nicht nur mein Schwager, sondern auch mein bester Freund.«
» Sie handeln in seinem Auftrag?« Mike denkt an das Besäufnis mit Tom zurück. Es ist erst zwei Tage her. Ist das der Mann, den Tom besuchen wollte, um seine berufliche Zukunft zu ändern? Armer Thomas Wille ... Oder ist Tom gar der Initiator, derjenige, der diesen Jäckel losgeschickt hat? Weiß Frank Wille überhaupt von dieser Sache? Blinzelt der Mann, ist er verunsichert? Mike weiß nicht, wie er Otto Jäckel einschätzen soll.
» Selbstverständlich handele ich in Frank Willes Auftrag. Er ist ein Mann, der sich nicht gerne streitet, aber ich, Herr Stern, bin mir nicht zu schade, als Frank Willes Mittelsmann alles dafür zu tun, damit dieser Bergmann zu seinem Recht kommt. Und ich rede nicht über eine läppische Abfindung, damit wir uns richtig verstehen.«
» Bedrohen Sie mich?«
» Ich bitte Sie ...« Jäckel hält ihm die offenen Handflächen hin, die er dann sogleich wieder auf die Aktentasche legt. »Wir können das alles ganz schnell und ohne Komplikationen abwickeln. Ansonsten ... nun ... ansonsten haben Sie Ihre Story, die dann allerdings von anderen geschrieben wird.«
Mike spürt Zorn in sich hochsteigen. »Sie locken mich mit einer Lüge her und dann wagen Sie sich, mich anzugehen wie einen Verbrecher? Was würde Tom dazu sagen?«
Für einen Augenblick stutzt Jäckel. Hat Mike ihn auf dem falschen Fuß erwischt? Nein, schon schlängelt er sich aus der Situation, glatt und unangreifbar.
»Wenn ich Ihnen unangenehm bin, tut mir das Leid. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, zu gehen und mich alleine zu lassen mit einem Kaffee, der hoffentlich bald kommt. Oder wir sprechen über Geld. In dieser Tasche befindet sich ein Vertrag, der Sie für alle Zeiten aus diesem Dilemma befreit. Einmal zahlen und wir lassen Sie in Ruhe. Setzt man voraus, dass Sie noch dreißig Jahre leben, wird das Foto in der Zukunft so viel abwerfen, dass Sie sich über Ihre Vernunft freuen werden. Sie haben alle Vorteile auf Ihrer Seite. So, Herr Stern, ist das bei einem Geschäft. Man fragt sich: Was habe ich davon? Was hat der Andere davon? Und so werden wir beide zufrieden sein. Sollten Sie das allerdings anders sehen, bleibt mir nichts anderes übrig, als unseren Anwalt, einen Urheberrechtsfachmann, zu beauftragen. Er wird auch Ihre Einnahmen genau unter die Lupe zu nehmen. Sie alleine wissen, ob Sie das riskieren wollen. Es hat den Anschein, dass Sie Ihre Einnahmen nicht ... sagen wir mal ...«
Mike stockt der Atem.
»Soviel ich weiß, hat das Finanzamt nur einen sehr geringen Anteil abbekommen. Aber da kann ich mich irren. Ich würde Ihnen nie etwas Unlauteres unterstellen.«
Über Mikes Rücken läuft Eiswasser und hinter seinen Augen wallt es rot. Am liebsten möchte er aufstehen und den Älteren verprügeln. Dieser Kerl hat den wunden Punkt getroffen. Liebe Güte, das Geld kommt per
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