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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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donnert mit dem Rücken auf den Tisch und nun spürt er, weit weg im Schmerz, dass er sich einnässt.
    Vielleicht hätte das genügt. Möglicherweise wären die Rocker damit zufrieden gewesen, doch als sich die Haustür öffnet, ein Schlüssel auf den Schuhschrank geworfen wird und Gina ins Wohnzimmer tritt, ändert sich alles.
     
     
    Arndt Emmerling sieht dem Mann zu, der in seine Hose schlüpft. Ein attraktiver Mann, schlank und wohlgebaut. Sie hatten zwei Stunden Spaß miteinander.
    So sind sie immer, die Heteros. Wenn das Vergnügen vorbei ist, ziehen sie sich eilig an und wollen nur noch weg aus der Wohnung des Schwulen.
    »So einer wie du könnte mir gefallen«, sagt Arndt leise und ohne Hoffnung. Er streicht sich über das Gesicht. Immer wieder reflexiv über die Nase, die wieder gut aussieht. Wie kann man einen Mann wie ihn alleine lassen?
    Immer wieder alleine lassen?
    Der Mann lächelt verkniffen. Seine Bewegungen sind voller Furcht und er ist in Eile, denn er ekelt sich vor sich selbst und vermutlich auch vor Arndt und am schlimmsten ist, dass man in seinen Augen die erneut aufflackernde Lust sieht, denn seine Frau bläst ihn nicht und hat auch sonst wenig Lust, es ihm schön zu machen.
    » Sollen wir uns nochmal treffen?«, fragt Arndt. Er hockt nackt auf dem Bett mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Über ihm zwei Bilder, die Marlene Dietrich zeigen. Einmal mit Frack, Zylinder und Zigarette und das berühmte Foto aus dem Blauen Engel .
    Der Mann schüttelt langsam den Kopf und schweigt. Dann ist er fertig. Er streicht sich die vollen Haare zurück, dreht verlegen an seinem Ehering, fürwahr eine gelebte Metapher, und flüstert: »Danke.«
    Dann geht er. Die Tür fällt ins Schloss.
    Arndt sieht ihm lange hinterher, blickt in sich hinein und begreift, dass er lernen muss. Alleine sein ist das Schwerste, doch alleine sein zu können , das Schönste. Das hat er noch nicht gelernt, denn stets war jemand an seiner Seite.
    Er lässt sich auf das nach Schweiß und Lust riechenden Laken fallen und schluchzt ins Kissen.
     
     
    Es klingelt. Vater ist im Garten, Mutter in der Küche. Thomas öffnet und vor ihm steht Lydia. Damit hat Thomas nicht gerechnet, also murmelt er etwas und sie lächelt und sagt: »Hallo Tom. Wir haben uns schon seit Monaten nicht mehr gesehen.«
    » Ja ...«, krächzt er. »Komm rein. Bist du alleine?«
    » Ist das schlimm?«
    Thomas schüttelt den Kopf und bugsiert sie die Treppe hoch in sein Zimmer. Unten rumort Mutter, die es nicht gerne sieht, wenn er Mädchenbesuch hat, aber er lässt sich das nicht mehr verbieten. Vor einem Jahr hatte Thomas Besuch von einer hübschen Kleinen aus der Nachbarstraße gehabt. Jede halbe Stunde kam Mutter einfach so in sein Zimmer, jedes Mal unter einem anderen Vorwand und, was das schlimmste war, ohne anzuklopfen. Das hatte Thomas beschämt und schrecklich zornig gemacht.
    » Ich wollte nur sehen, ob ihr was braucht«, hatte Mutter gesagt.
    Thomas hatte die Lüge in ihren Augen flackern gesehen und war fluchend in sein Zimmer gegangen, ohne das Thema noch einmal aufzugreifen.
    Lydia plumpst in den Sessel. Er schließt die Tür ab.  Sie blickt sich neugierig um. »Ein schönes Zimmer«, sagt sie.
    » Mmh ...«
    » Und so viele Schallplatten. Oh, ich hatte fast vergessen, dass du Gitarre spielst.«
    Was will sie hier? Sie hat ihn noch nie besucht.
    »Seit unserer kleinen Party ...«, sie grinst verschmitzt, »haben wir dich nicht mehr gesehen. Was ist los mit dir?«
    Thomas setzt sich auf die Schlafcouch. »Ich habe viel geschrieben und Musik gehört.«
    » Legst du was auf?«
    » Was willst du hören?«
    » Hast du was von Springsteen?«
    Thomas legt Born To Run auf, ganz neu, erst vor ein paar Wochen erschienen. Er verringert die Lautstärke und das Piano stimmt Thunder Road ein. Lydia bewegt den Kopf zum Rhythmus.
    » Man nennt ihn den Boss, habe ich gehört«, stellt sie fest.
    » Ist er das nicht?«
    » Oh ja ...«
    Dann gibt es eine Minute lang nur noch die raue Stimme von Springsteen.
     
    You can hide 'neath your covers
    And study your pain.
    Make crosses from your lovers
    Throw roses in the rain.
     
    » Warum besuchst du mich?«, fragt Thomas.
    Sie mustert ihn und sieht wunderschön aus dabei. Thomas erinnert sich, dass sie sich nackt gesehen und es um Haaresbreite miteinander getrieben haben. Er wird rot.
    »Ich habe mich in dich verliebt«, sagt sie leise.
    Thomas traut seinen Ohren nicht. Er schluckt hart und nestelt an seinem

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