Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Rekorde.
Mike fühlt sich von all den Reizen abgelenkt!
Er muss nachdenken. Der Kerl hat ihn in der Hand. Es handelt sich um eine versteckte Erpressung, ja, so kann man es nennen. Eine Erpressung!
Er landet im »Wohnzimmer«. Wie immer ist das Licht ausgesperrt und auch am helllichten Tag ist die Kneipe mit Öllämpchen und Kerzenlicht beleuchtet. Die Musikbox, eine Wurlitzer-Kopie mit einem farbigen ovalen Regenbogen, spielt Dancing Queen von Abba. Fehlt nur noch das grausige Kornfeld von Jürgen Drews, denkt Mike. Seitdem Frankie die Musik gegen Bezahlung laufen lässt und auf Schallplatten verzichtet, muss man sich hier dieses Zeug reinziehen. Dabei hat die Rockmusik so vieles zu bieten. Thin Lizzy, Aerosmith, Alice Cooper oder David Bowie, der derzeit in Berlin lebt.
Es ist nicht viel los und Mike bestellt ein Bier.
Frankie gibt es ihm.
» Noch eins.«
Drüben am Tisch sitzen, absurd gesittet, zwei Männer vom »MOTORRADCLUB CHARLOTTENBURG LONE RIDERS«. Alles in Versalien. Einen von denen erkennt Mike wieder. Ist noch nicht lange her, dass sie gemeinsam gesoffen haben und Tom Geschichten von der Bundeswehr zum Besten gab.
» Noch eins!«
Er trinkt zu viel. Er muss heute noch eine Kolumne schreiben. Vor ein paar Tagen haben ein gewisser Bill Gates und Paul Allen ein Unternehmen gegründet, das die Börse gehörig durcheinanderschüttelt. Es nennt sich Microsoft und zieht politische Kreise. Computer, Politik und die Veränderung der sozialen Strukturen. Ein interessantes Thema.
Dreihunderttausend Mark!
Ein junges Paar kommt herein. Sie suchen eine dunkle Ecke und knutschen.
»Warum hast du nur noch diesen Popmüll in deiner Musikbox?«, fragt Mike.
» He, bist wohl schlecht drauf?«, fragt Frankie zurück.
» Das nervt.«
» Bringt aber Geld. Die Brauereien ziehen uns Gastronomen nackt aus. Ein Liter Fassbier kostet im Einkauf mehr, als du im Laden für dieselbe Menge Flaschenbier bezahlst.«
Mike zieht die Brauen hoch. Das war ihm nicht bewusst. »Trotzdem nervig.« Er stößt sich vom Tresen ab. Er hat vier Bier getrunken und ist leicht benebelt. »He, wie geht’s?«
Die bärtigen Männer in Lederkutte blicken auf. Einer von ihnen zieht sein Gesicht in die Breite. »Hallo Willi.« Womit auch dieses Mal Mike gemeint ist.
» Ich habe zehntausend Mark zu vergeben, für einen kleinen Gefallen«, sagt Mike und die Worte kommen ihm selbst fremd vor. Doch nun ist der Anfang gemacht.
» Zehntausend? Wen soll’n wa dafür rasieren?«
» Vielleicht sogar fünfzehntausend!«
» Nee, oder? Ick jloob,’ ick steh im Walde. Kaltmachen tun wa keenen.«
» Rasieren, ausziehen und einen Denkzettel verpassen«, murmelt Mike. »Geht sowas? Nichts Schlimmes, aber etwas, an das man sich erinnert.« Bei Gott, ist er von allen guten Geistern verlassen?
» Wer und wann?«
Der andere Rocker lacht. »Hat man dir een geblasen und dabei zu feste in die Nülle gebissen?«
» Lass ihn«, winkt der Grinsende ab. »Er is’ ganz in Ordnung. Ick kenn’ ihn.«
» Okay, also ... um was handelt es sich?«
» Darf ich mich zu euch setzen?«, fragt Mike, der am liebsten ganz weit weglaufen will.
» Na klar, Willi. Setze dir. Für fuffzehntausend darfste uns sogar een ausgeben.«
Die Rocker lachen und Mike begibt sich in die Finsternis.
22
Otto Jäckel ist alleine. Er war bei Giselle und ist erschöpft. Er spürt das Alter, und dass seine Libido nicht mehr die eines jungen Mannes ist. Giselle ist genügsam, wobei kleine Geschenke hilfreich sind. Wenn Michael Stern gezahlt hat, werden sie eine größere Reise unternehmen. Soll Gina sich mit ihrer Mode abmühen, er wird das Leben mit seiner Süßen genießen. Gefeuert und doch vermögender denn je. Gina wird von dem Geld nie etwas erfahren, sich vielleicht wundern, dass er auch nach der Scheidung noch in Saus und Braus lebt, aber ihm nichts beweisen können.
Otto zweifelt nicht eine Minute daran, dass Mike Stern zahlt. Er weiß, wo er ihn findet und ein Otto-Machtauftritt in der Redaktion könnte für den nicht mehr ganz jungen Zeitungsmann peinlich werden.
Es klingelt und vor sich hin pfeifend geht Otto zur Haustür, öffnet sie und im selben Moment übergießt ihn der Schreck mit eiskaltem Wasser.
Die Tür wird aufgestoßen, donnert an die Wand, und ehe Otto reagieren kann, fällt sie wieder ins Schloss. Zwei breite Kerle nehmen den schmalen Flur in Besitz, es riecht nach Leder, Bier und Schweiß. Zuerst nimmt Otto Bärte wahr, dann die Gesichter, die sich
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